Junges Schaf in der Herde

Alles zu kleinen Wiederkäuern

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Als kleine Wiederkäuer bezeichnet man in der Veterinärmedizin Schafe und Ziegen.

Das Interesse an der Schaf- und Ziegenhaltung ist in den letzten Jahren konstant hoch, obwohl die Zahl der gehaltenen Schafe und Ziegen insgesamt kontinuierlich sinkt.

Neben der Lebensmittelerzeugung (z.B. Milch, Fleisch, usw.) werden sie hauptsächlich in der Landschaftspflege eingesetzt.

Die Schaf- und Ziegenhaltung wird überwiegend im Nebenerwerb oder als Hobbyhaltung betrieben. In Hessen sind ca. 5.500 Schafhaltungen und ca. 3.100 Ziegenhaltungen registriert, davon etwa 100 Haupterwerbsbetriebe. Viele Betriebe halten sowohl Schafe als auch Ziegen. Die Bestandszahlen liegen bei etwa 165.000 Schafen und 19.800 Ziegen.

Problem mangelnde Sachkenntnis

Durch die starke Zunahme der Nebenerwerbs- und Hobbyhaltungen kann es in diesen Haltungen aufgrund fehlender Erfahrung und mangelndem Fachwissen zu Problemen kommen. Viele Hobbyhalter sind sich ihrer Verantwortung aber bewusst und die Nachfrage nach Sachkundelehrgängen ist entsprechend groß, so groß, dass die Nachfrage die wenigen Angebote leider übersteigt. Immerhin finden inzwischen auch Kurse in Hessen statt (z.B. LLH) und hessische Tierhalter müssen nicht mehr nach z.B. Bayern ausweichen.

Entsprechende Sachkundelehrgänge seien jedem fachfremden Ziegen- oder Schafhalter dringend angeraten, denn zu denken, man holt sich mal eben zwei Schafe als Rasenmäher für den Garten und das weitere ergibt sich dann, wird der tatsächlichen Aufgabe nicht gerecht.

Auch wenn es genügsame Rassen gibt, die sich gut für die Nutzung auf kargen Standorten eignen und ganzjährig im Freien gehalten werden können, erfordern die Betreuung der Tiere und Sicherstellung geeigneter Haltungsbedingungen sehr viel mehr Aufwand, als eine Fläche maschinell zu pflegen - falls das die Überlegung für eine Anschaffung sein sollten.

Zu den regelmäßigen Aufgaben gehören der Zaunbau/-kontrolle, Kontrolle der Weide auf Verletzungsgefahren oder Giftpflanzen, Witterungsschutz/Stall, tägliche Kontrolle des Gesundheitszustands, Pflegemaßnahmen wie Klauenschneiden, Parasitenbekämpfung und bei Schafen die Schur.

Sichere Einzäunung - von innen UND außen

Einzäunungen müssen ausbruchsicher sein und dürfen keine Verletzungsgefahr für die Tiere bergen. Dabei stellen Schafe und Rinder im Vergleich zu Rindern höhere Anforderungen an die Qualität der Einzäunung, da sie eher zum Ausbrechen neigen. In der Praxis haben sich vor allem Drahtknotengitter- und Elektrozäune bewährt. Ziegen gelten als besonderes neugierig, kletter- und springfreudig, auch für sie ist ein gut elektrifizierter Zaun von mindestens 1,20 m Höhe unabdingbar.

Alle Weidetierhalter sind außerdem gehalten, die Einzäunung wolfsabweisend zu gestalten und dabei mindestens die Vorgaben zum Grundschutz umzusetzen (siehe Hessische Weidetierrichtlinie Link Öffnet sich in einem neuen Fenster)

Dazu müssen die Zäune mindestens 90 cm hoch sein und eine Spannung von 2.500 Volt und mindestens eine Impulsenergie von 1 Joule aufweisen. Die Zäune müssen dann als stromführende Zäune gekennzeichnet sein.

Exkurs: Auch wenn immer wieder argumentiert wird, eine Höhe von 90 cm sei für den Wolf leicht überwindbar und entsprechende Beispiele angeführt werden, ist durch Studien belegt, dass bei entsprechend ausreichender Elektrifizierung auch 90 cm-Zäune eine abschreckende Wirkung entfalten, da Wölfe zuerst versuchen, den Zaun zu untergraben dabei einen Stromschlag bekommen, der sie vertreibt. Es geht darum, es den Wölfen schwerer zu machen, so dass sie sich ihren natürlichen Beutetieren, z.B. dem Rehwild, zuwenden.

Ziegen und Schafe mit Hörnern, vor allem unerfahrene Jungtiere, können sich leicht in den häufig verwendeten Knotengitternetzen verfangen und erleiden dann durch die anhaltenden Stromstöße erhebliche Schmerzen, Leiden und Schäden, die sogar zum Tod führen können. Deshalb sind intensive Kontrollen der Zaunanlagen erforderlich. Die Zäune müssen daher immer straff gespannt und jederzeit mit ausreichender Spannung elektrifiziert sein.

Da die Tiere weitsichtig sind, erkennen sie aus der Nähe einen dünnen Draht nicht; vielmehr wird der Zaun aus der Entfernung als Ganzes wahrgenommen. Stromführende Zaunlitzen sollten deshalb gut erkennbar sein und damit auch optisch auf die Tiere wirken. Die häufig verwendeten orangefarbenen Netze sind für Weidetiere und auch Wildtiere wie z.B. Rehe schlecht zu erkennen und können daher zusätzlich mit Flatterbändern bestückt werden. Weiße Zäune sollen aufgrund des größeren Kontrasts zur Umgebung besser wahrnehmbar sein.

In jedem Fall bedarf es beim Einsatz von Elektronetzen einer besonderen Eingewöhnungszeit und intensiver Beobachtung, um rechtzeitig eingreifen zu können, wenn sich ein Tier verfangen hat.

Alte und nicht mehr in Benutzung befindliche Zäune und Zaunreste müssen unbedingt entfernt werden, da sie eine Verletzungsgefahr für alle Nutz- und Wildtiere darstellen! Vor allem Stacheldraht darf grundsätzlich nicht zur Einzäunung verwendet werden, ist aber leider immer noch zu sehen.

 

Tägliche Kontrolle!

Nicht nur die Zaunanlage, auch die Tiere selbst müssen täglich hinsichtlich des Gesundheitszustands, sowie der Wasser- und Futterversorgung kontrolliert werden.

 

Wasser und Futterversorgung

Obwohl der Wassergehalt des Grases in Abhängigkeit vom Vegetationsstadium relativ hoch sein kann, können Schafe und Ziegen – entgegen der weit verbreiteten Meinung – ihren Wasserbedarf auch bei Weidehaltung nicht immer über das in der Nahrung gebundene Wasser decken. Pro Kilogramm aufgenommene Futtertrockenmasse muss ein Wasserbedarf zwischen 2 und 4 Litern veranschlagt werden. Weidetiere müssen ganzjährig ständig Zugang zu frischem und sauberem Wasser haben, im Winter muss darauf geachtet werden, das Wasser frostfrei zu halten.

Bewegliche Tränken sind stationären vorzuziehen, weil durch Platzwechsel eine Verschlammung des Tränkebereiches verhindert werden kann. Andernfalls sollte man den Tränkeplatz befestigen. Grundsätzlich sollten Weidetiere nicht an unbefestigten Ufern natürlicher Gewässer trinken, weil es durch Morastbildung und Wasserverschmutzung im Uferbereich zu erhöhtem Infektionsrisiko, zu Parasitenbefall oder Klauenproblemen kommen kann.

Bei geschlossener Schneedecke, gefrorenem Boden oder spärlichem Bewuchs muss Raufutter zugefüttert werden.

Immer wieder diskutiert: Angemessener Witterungsschutz bei ganzjähriger oder saisonaler Weidehaltung

Alle Schafe und Ziegen brauchen grundsätzlich einen Schutz vor Wind und Wetter. Jedes

erwachsene Tier braucht dabei mindestens 0,5 m² Platz. Ist es im Sommer heiß, brauchen alle Tiere einen schattigen Platz. Ist es im Winter kalt, nass und windig, brauchen alle Tiere einen regen- und windgeschützten Platz.

Ein den Tierbedürfnissen angepasster Schurtermin zwischen Mitte Mai und Ende Juni und ein guter Ernährungszustand der Tiere sind weitere wichtige Voraussetzungen zur Vermeidung von Schäden durch extreme Kälte- und Hitzebelastungen.

Als Witterungsschutz können sowohl natürliche Gegebenheiten als auch künstliche Einrichtungen genutzt werden. Zu den natürlichen Schutzvorrichtungen zählen Hecken, Bäume, Büsche, Wald und ähnlich. Sie müssen ganztägig und ganzjährig wirksam sein, so dass sie bei jeder Windrichtung, bei Schnee und bei Regen ebenso wie bei starker Sonneneinstrahlung ihre Funktion ausreichend erfüllen. Andernfalls müssen sie durch zusätzliche Einrichtungen ergänzt werden. In der kalten Jahreszeit sind unbelaubte und einzeln stehende Bäume keinesfalls ausreichend.

Zu den künstlichen Schutzvorrichtungen gehören eingestreute Flächen, Windschutzwände aus Strohballen oder Planen sowie zwei- bis dreiseitig geschlossene, überdachte Unterstände, die von der Hauptwindrichtung abgewandt sind. In der kalten Jahreszeit muss der Boden der Schutzvorrichtung eingestreut werden oder eine andere Wärmedämmung vorhanden sein. Die Liegefläche muss dabei so bemessen sein, dass alle Tiere gleichzeitig liegen können.

Gesundheitsvorsorge

Nach § 2 Tierschutzgesetz ist jeder, der ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, unter anderem verpflichtet, das Tier angemessen zu pflegen. Dazu zählt die Gesundheitsvorsorge einschließlich vorbeugender Impfungen und der Bekämpfung von Innen- und Außenparasiten sowie die Klauenpflege. Die Anzeichen der wichtigsten Krankheiten sowie einer Geburt müssen dem Betreuer/der Betreuerin bekannt sein. Sie müssen in der Lage sein, selbst sachgerecht Hilfe zu leisten oder dafür sorgen, dass gegebenenfalls rechtzeitig fachmännische Hilfe zur Verfügung steht.

Klauenerkrankungen und Lahmheiten sind mit Schmerzen und Leiden für das Tier verbunden und führen zu einer erheblichen Einschränkung des Wohlbefindens. Deshalb gehört es zu den Pflichten des Tierhalters, die Klauengesundheit seiner Tiere im Rahmen der Gesundheitsvorsorge regelmäßig zu kontrollieren und gegebenenfalls entsprechende Pflege- und/oder Behandlungsmaßnahmen einzuleiten.

Jährliche Schur

Bei den meisten Schafrassen findet erblich bedingt kein Wollwechsel mehr statt. Sie müssen deshalb mindestens einmal pro Jahr vollständig geschoren werden. Unterbleibt die regelmäßige Schur, wird das Wärmeregulationsvermögen der Tiere empfindlich gestört. Außerdem kann die Ektoparasitenbelastung stark zunehmen, und neugeborene Lämmer haben Schwierigkeiten, die Zitzen zu finden. Im Frühjahr darf frühestens Mitte Mai, besser noch nach der Schafskälte (Anfang Juni) geschoren werden. Der späteste Schurtermin sollte bei ganzjähriger Weidehaltung mindestens vier Monate vor Beginn der kalten Jahreszeit liegen, damit bis zum Einsetzen der ersten Nachtfröste genügend Wolle nachgewachsen ist und eine Auskühlung der Schafe vermieden wird. Als Richtzeit für die Schur sollte deshalb der Zeitraum Mitte Mai bis Ende Juni eingehalten werden.

Auch bei sachgerechter Durchführung bedeutet das Scheren für die Tiere eine besondere Stressbelastung. Deshalb ist der schonende Umgang mit ihnen oberstes Gebot, um sie nicht unnötig zu beunruhigen und Verletzungen zu vermeiden. Entstandene Scherwunden müssen unverzüglich versorgt werden. Die Schur darf nur von versierten Schafscherern durchgeführt werden. Sie sollten eine fundierte Ausbildung, zumindest aber den erfolgreichen Abschluss eines Sachkundelehrgangs zum Scheren nachweisen können. Scherinstrumente müssen zur Vermeidung der Übertragung von Haut- und Wollparasiten sowie Infektionserregern regelmäßig gesäubert und desinfiziert werden.

Erforderliche Kennzeichnung

Ziegen und Schafe sind mit einer amtlichen Einzeltiernummer zu kennzeichnen. Die Vorgaben zur Registrierung und Kennzeichnung von Schaf- und Ziegenbeständen sind in der EU-Viehverkehrsordnung (VVVO) festgelegt und gelten für landwirtschaftliche Betriebe als auch für Hobbyhaltungen. Vorgeschrieben ist die sichtbare und die elektronische Kennzeichnung. Das erfolgt meistens mit der gelben Doppelohrmarke. In einer Ohrmarke ist ein Transponder integriert, der mit einem Lesegerät auslesbar ist.

Die Tierhaltung muss zudem bei der Tierseuchenkasse registriert werden. Dort ist dann jährlich eine Stichtagsmeldung über den vorhandenen Bestand am 01.01. abzugeben.

Dokumentation

Parallel zur Einzeltierkennzeichnung ist der tierhaltende Betrieb zur Führung eines Bestandsregisters verpflichtet, in dem man die Zukäufe und die Abgänge verzeichnet.

Zukäufe müssen zusätzlich noch in der HIT-Datenbank online gemeldet werden. Grundsätzlich gilt: kaufen Sie nur Tiere aus registrierten Betrieben mit Kennzeichnung und lassen sich vom Verkäufer ein Begleitpapier mitgeben, auf dem dessen Registriernummer eingetragen ist. Sonst können Sie den Zukauf nicht bei HIT melden.

Impfungen, medikamentöse Behandlungen durch den Tierarzt oder mit rezeptpflichtigen Medikamenten wie Wurmkur, die man selbst eingibt, sind in ein Bestandsbuch einzutragen.

Quellen: LLH, BMEL, LAVES Niedersachsen „Empfehlungen für die ganzjährige und saisonale Weidehaltung von Schafen“, Empfehlung für die Haltung von Schafen und Ziegen der Deutschen Gesellschaft für die Krankheiten der kleinen Wiederkäuer, Fachgruppe der DVG

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