Die weiß-rote Spitze eines Zirkuszelts bei Sonnenuntergang.

Menschen, Tiere, Sensationen

Die bunte Zirkuswelt kann begeistern. Viele Menschen, vor allem die Kinder, sind fasziniert vom Zauber der Manege, der ganz besonderen Mischung aus Artistik, Spaß und Nervenkitzel. Und wenn dabei noch viele Tiere zu bestaunen sind, um so besser - oder etwa nicht?

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Ein Leben auf Rädern

Zirkusse sind die meiste Zeit des Jahres unterweges. Schon durch die häufigen Fahrten verbringen Zirkustiere einen großen Teil ihres Lebens unter Transportbedinungen. Dass allein kann schon eine beträchtliche Belastung sein.

Für viele Zirkustiere wie Löwen, Tiger oder Bären ist der enge Käfigwagen aber nicht nur Transportmitteln, sondern ständige Haltungseinrichtung. Pferde, Kamele oder andere Tiere werden am Spielort zwar ausgeladen, stehen dann aber häufig auf kleinstem Raum in einem Stallzelt oder auf der Wiese. Das erfüllt teilweise nicht einmal die Minimalanforderungen einer artgerechten Tierhaltung.

Eisbär oder Apfelschimmel

Manche Tierarten stellen an eine artgerechte Haltung solche Ansprüche, dass sie unter Zirkusbedingungen beim besten Willen nicht erfüllt werden können. Weil sie zum Beispiel große Badebecken brauchen, in denen sie richtig schwimmen und tauchen können Oder weil sie besondere Ansprüche an ihr soziales Umweltfeld, an Betreuung und Beschäftigung haben. Oder weil die mobilen Gehege so abgesichert werden müssten, dass der ständige Auf- und Abbau nicht mehr praktikabel wäre. Deshalb haben einige Tierarten im Zirkus eigentlich nichts zu suchen. Dazu gehören vor allem einige Wildtiere wie zum Beispiel Giraffen, Nashörner und Flußpferde, aber auch Elefanten, Bären und Affen.

Andere, vor allem Haustierarten, können dagegen auch im Zirkus artgerecht gehalten werden. Hierzu kann man den Tieren am Aufenthaltsort geräumige Boxen im Stallzelt einrichten und ihnen zusätzliche Gelegenheit zur Bewegung in einem mit Mobilzaun abgesteckten Auslauf geben. Oder es wird an den Käfigwagen eine mobile Veranda angebaut und mit artgerechtem Inventar ausgestattet. Wichtig ist natürlich auch, bei sozial lebenden Tierarten deren angeborene Bedürfnisse nach einem oder sogar mehreren Artgenossen zu beachten und solche Tiere nicht einzeln zu halten. Dann ist gegen Tiere im Zirkus nichts einzuwenden. Und dass Tiernummern mit Pferden, Schweinen oder Tauben überhaupt nicht langweilig sein müssen, haben mittlerweile schon einige Zirkusse und Zirkusfreunde entdeckt.

Von alleine geht gar nichts, Auftritte in der Manege wollen gelernt sein. Das tägliche Training für die Dressurnummern kann für die Tiere durchaus positiv sein, denn sie können sich bewegen, werden beschäftigt und gefordert und haben Kontakt zu  einer vertrauten Person. Ob eine Dressur tatsächlich gut für ein Tier ist, hängt jedoch ganz vom Einzelfall ab.

Wenn man Tieren für eine vermeintliche Publikumsattraktion artwidrige Bewegungen und Verhaltensweisen wie Kopfstand oder Rollschuhfahrten abverlangt und Folgeschäden riskiert, hört der Spaß auf. Ebenso tierschutzwidrig ist es, wenn beim Training Gewalt angewendet wird und Tiere nur aus Angst vor Strafe tun, was man von ihnen will.

Zirkusse sind keine fahrenden Tierheime, sondern kommerzielle Unternehmen, in denen Tiere ein zahlungswilliges Publikum beeindrucken und unterhalten sollen. Immer wieder werden Nummern geändert oder ersetzt, werden neue junge Tiere gebraucht. Die Vorgänger werden, wenn möglich, irgendwohin weiterverkauft.

Aber auch heranwachsende Jungtiere, die im Umgang zu gefährlich, oder Tiere, die für die Manege einfach zu alt geworden sind, müssen irgendwie "entsorgt" werden, denn Geld und Platz für ein "Gnadenbrot" haben die wenigsten Zirkusse.

Nachschub findet sich dagegen leicht. Zum Beispiel aus anderen Zirkussen, manchmal auch aus Zoos und Tierparks, die ihre Nachzuchten auf dem Tiermarkt losweden wollen. Lebenslange Verantwortung für Tiere ist leider oft noch ein Fremdwort.

Der Minizoo im Zirkus

Sicher nicht. In den Tierschauen, die zwischen den Vorstellungen angeboten werden, kann man einen Blick auf die Zirkustiere werfen, aber mehr wohl kaum. Ein Eindruck vom natürlichen Verhalten und der Lebensweise lässt sich jedenfalls nicht gewinnen, wo sich Tiere kaum bewegen können und selbst minimale Vorraussetzungen einer artgerechten Haltung fehlen.

Zirkustieren steht oft nur ein Bruchteil des Platzangebots und der Ausstattung zur Verfügung, die im Zoo als absolutes Mindesmaß angesehen werden. Darunter leiden besonders die Tiere, die nicht in der Manege auftreten und als reine Schautiere ohne jegliche Ausweich- oder Abwechslungsmöglichkeit mit den extremen Einschränkungen leben müssen.

Tierhaltung kostet Geld, das weiß wohl jeder. Die tägliche Futterration muss ebenso bezahlt werden wie zum Beispiel der Tierarzt bei Erkrankungen oder Verletzungen.

Haltungseinrichtungen müssen instand gehalten oder erneuert werden, da kommt schnell einiges an Kosten zusammen. Zirkusbetriebe haben jedoch oft Mühe, ihren Unterhalt zu erwirtschaften. Fehlt das Geld, bekommen das nicht zuletzt auch die Tiere zu spüren.

In der Regel wird in den Wintermonaten nicht gefahren und nicht gespielt. Vor Einbruch von Kälte und Schnee muss rechtzeitig ein Platz zum Überwintern gefunden werden. Die wenigsten Zirkusbetriebe verfügen über ein festes Winterquartier, in das sie jedes Jahr zurückkehren können. So fahren sie oft, bis nichts mehr geht und müssen dann nehmen, was gerade zu finden ist. Leere Fabrikhallen zum Beispiel.

Nicht immer sind die Verhältnisse so, dass die Unterkünfte für wärmebedürftige Tierarten geheizt werden können oder Auslaufmöglichkeiten vorhanden sind. Umso wichtiger ist es, frühzeitig geeignete Quartiere zu finden, bestenfalls solche, die sich bewährt haben und regelmäßig genutzt werden können.

Also?

Angesichts all dieser Probleme könnte man leicht zu dem Schluss kommen, daß es im Zirkus am besten gar keine Tiere geben sollte. Doch soweit muss man nicht gehen. Tiere im Zirkus sind in Ordnung, wenn einige wichtige Grundsätze beachtet werden. Die allerdings sind unverzichtbar:

  • Ausgewählte Tierarten, die artgerecht gehalten werden können
  • keine reinen Schautiere
  • Artgerechte Tierhaltung
  • Tiergemäße Dressuren und Auftritte
  • Verantwortung für Herkunft und Verbleib
  • Quantitativ und qualitativ ausreichende Versorgung und Pflege
  • geeignete Winterquartiere
  • eine gesicherte wirtschaftliche Grundlage

Viele Zirkusbetriebe erfüllen diese Grundsätze heute noch nicht. Aber sie werden umdenken müssen. Vor allem, wenn sich das Publikum nicht länger auf Kosten der Tiere amüsieren will.

Noch Fragen?

Wenn Sie noch Fragen zum Tierschutz haben, können Sie sich gerne jederzeit an die Landestierschutzbeauftragte wenden. Dort sind kostenlos auch weitere Informationsmaterialien erhältlich. Die vorhandenen Informationsmaterialien stehen Ihnen auch als download oder zur Bestellung zur Verfügung.

Kontakt

Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich an:

Bild Frau Dr. Martin

Die Tierschutzbeauftragte Frau Dr. Martin (Parteilos)

Die Landestierschutzbeauftragte im HMLU

Mainzer Straße 80
65189 Wiesbaden

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