Stadttauben sind - im Gegensatz zu ihren Verwandten, den Haus- und Wildtauben - weit weniger beliebt, oft sogar regelrecht gehasst und als Schädlinge und Krankheiten verbreitende "Ratten der Lüfte" verschrien.
Dass sie aber auch wahre Überlebenskünstler sind, die sich notgedrungen an eine neue Situation angepasst haben, nachdem sie für ihre ursprüngliche Funktion nicht mehr gebraucht wurden, wird oft nicht bedacht.
Stadttauben sind keine Wildtauben, sondern Nachkommen ehemaliger Haustauben. Sie sind eines der ältesten Haustiere und werden seit Jahrtausenden vom Menschen gehalten und gezüchtet. Ursprünglich dem Adel vorbehalten, war die Taubenhaltung später weit verbreitet und fast jedes Haus hatte einen Taubenschlag auf dem Dach, auch weil Tauben in Zeiten, als der massenhafte Fleischkonsum noch nicht für jeden Haushalt erschwinglich war, als Fleischlieferanten geschätzt waren.
Die Zeiten haben sich geändert, Häuser und Dachböden wurden saniert und die Taubenschläge verschwanden. Die übrig gebliebenen Tauben waren gezwungen, sich neue Lebensräume zu suchen, die sie an städtischen Gebäuden fanden und finden. Diese bieten den von der Felsentaube abstammenden standorttreuen Tieren aufgrund der Höhe und Beschaffenheit Lebensraum in Nischen und Fassadenvorsprüngen.
Dass diese Besiedelung, vor allem auch durch die Hinterlassenschaften der Tauben, ein Problem darstellt, mit dem viele Städte zu kämpfen haben, ist klar. Verantwortlich dafür ist allerdings der Mensch, denn er hat die ehemaligen Hochleistungsnutztiere in ihre zum Teil prekäre Lage versetzt, indem er ihnen Eigenschaften angezüchtet hat, die ihnen jetzt zum Verhängnis werden:
So können Tauben bis zu neunmal im Jahr brüten, selbst dann, wenn kein Futter verfügbar ist, das heißt eine Population reguliert sich nicht über das Nahrungsangebot, was zu Überpopulation und Krankheiten führt.
Pauschale Fütterungsverbote machen daher keinen Sinn, bzw. sind tierschutzwidrig, weil die Tauben gezwungen sind, sich von Abfällen zu ernähren, krankheitsanfällig werden oder verhungern.
Ein viel besserer Weg sind betreute Taubenschläge nach dem seit 1995 praktizierten "Augsburger Modell". Die Tiere sind an festen Standorten konzentriert und werden dort mit artgerechtem Futter und ggf. medizinisch versorgt. Hier macht ein Fütterungsverbot außerhalb der betreuten Taubenschläge oder kontrollierten Futterplätzen natürlich absolut Sinn! Tierfreundinnen und Tierfreunde, die mit Taubenfüttern vermeintlich Gutes tun wollen, müssen sich im Klaren sein, dass sie damit die Erfolge des Stadttaubenmanagements konterkarieren - abgesehen davon, dass sie ggf. eine Ordnungswidrigkeit begehen. Wenn Sie sich für Tauben engagieren möchten, fragen Sie doch mal bei Ihrer Stadt nach, ob dort Unterstützung benötigt wird, denn bei der Betreuung der Taubenschläge und Futterplätze sind viele Kommunen auf die Unterstützung von Tierschutzvereinen und sonstigen Freiwilligen angewiesen.
Mit zum Konzept gehört auch der Eiertausch, also das regelmäßige Ersetzen der Gelege durch Plastikeier. Dadurch wird eine gewisse Bestandsregulierung möglich.
Die Stadt Augsburg praktiziert ihr Modell flächendeckend mit Erfolg. Andere Städte und Tierschutzinitiativen haben es sukzessive übernommen, zum Teil ergänzt und es werden immer mehr, die den Wandel vom sinnlosen Versuch des Bekämpfens eines Problems hin zum Konzept eines stadtverträglichen, gesunden Taubenbestands, der das Stadtbild sogar bereichert, vollziehen.
Der Verein Menschen für Tierrechte e.V. hat eine umfassende Informationsbroschüre zum Taubenmanagement erarbeitet, die neben den genannten Maßnahmen noch weitere thematisiert, z.B. die Möglichkeit der minimalinvasiven Sterilisation oder die tierschutzgerechte Vergrämung (innerhalb eines Gesamtkonzepts). Sie finden die Broschüre im Downloadbereich.
Augsburger Stadttaubenmodell (Tierschutzverein Augsburg)Öffnet sich in einem neuen Fenster
Stadttaubenkonzept (Stadt Augsburg)Öffnet sich in einem neuen Fenster