Juristische Ausarbeitungen

Juristische Ausarbeitungen von Herrn Stefan Jerzembek

Hier können Sie interessante Ausarbeitungen von Stefan Jerzembek nachlesen:

Berücksichtigungsfähigkeit der finanziellen Leistungsfähigkeit von Tierhaltern beim Erlass von Maßnahmen

KURZZUSAMMENFASSUNG:

Die sich aus § 2 TierSchG ergebende Pflicht, Tiere angemessen zu ernähren, zu pflegen und verhaltensgerecht unterzubringen hat zur Konsequenz, dass der Tierhalter hierfür auch die erforderlichen Kosten zu tragen hat. Verfügt ein Tierhalter nicht über ausreichende Mittel, um diese Pflichten zu erfüllen, muss er auf anderem Wege dafür sorgen, dass die Versorgung der Tiere sichergestellt wird, ggf. durch die Abgabe der Tiere an Personen oder Stellen, die die tierschutzgerechte Versorgung sicherstellen können. Der Tierhalter kann sich allerdings nicht darauf berufen, finanziell nicht leistungsfähig zu sein.

Private Tierhaltungen werden von den zuständigen Behörden nur anlassbezogen überprüft. Ein Verdacht auf einen Verstoß gegen Rechtspflichten ist dafür allerdings nicht erforderlich. Eine Auskunft kann auch aufgrund einer außerhalb des Tierschutzrechts entstandenen Grundlage gefordert werden. Kontrollen sind überdies nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht der Behörde. § 16 TierSchG konkretisiert insoweit für die Tierschutzbehörden den Amtsermittlungsgrundsatz. Bestehen bei der Behörde aufgrund entsprechender Berechnungen bezüglich der Haltungskosten für die Tiere unter Berücksichtigung der der Behörde bekannten finanziellen Situation des Halters Anhaltspunkte dafür, dass eine angemessene Versorgung der Tiere i.S.v. § 2 TierSchG nicht gewährleistet sein könnte, besteht für sie eine erhöhte Pflicht, eine vertiefe Überprüfung der Tierhaltung vorzunehmen. Denn wenn bereits aufgrund einfacher Berechnungen deutlich wird, dass eine finanzielle Absicherung der tierschutzgerechten Versorgung der Tiere zweifelhaft ist, so liegt es nicht fern, dass es tatsächlich Probleme bei der Versorgung der Tiere geben könnte. Insoweit besteht für die Behörde die Pflicht, frühzeitig aktiv zu werden, um Gefahren vorzubeugen oder ihnen frühestmöglich abzuhelfen. Ein zu langes Abwarten birgt die Gefahr, dass sich die tierschutzrechtlichen Probleme verschärfen. Dies führt zu vermehrtem, vermeidbaren Tierleid. Überdies liegt ein frühzeitiges Tätigwerden auch im Interesse des Halters, wenn dadurch verhinderten werden kann, dass zu einem späteren Zeitpunkt umfassendere und intensivere Grundrechtseingriffe erforderlich werden (bspw.  die Fortnahme eines Tieres statt dem Erlass einer Auflage zur Versorgung des Tieres bei gleichzeitigem Verbot des Erwerbs weiterer Tiere). Auch liegt ein frühzeitiges Tätigwerden im Interesse der Behörde, da sie dadurch verschärften tierschutzwidrigen Zuständen entgegenwirkt, welche wiederum eine größere Arbeitsbelastung und finanzielle Risiken nach sich ziehen.

Im gleichen Kontext steht ferner folgendes: Unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten kann die Haltung vieler Tiere auf engem Raum einen Verstoß gegen das Pflegegebot nach § 2 TierSchG bedeuten: Wird nämlich die Masse der Tiere für den Halter oder Betreuer zu groß und zu unübersichtlich, so führt dies zwangsläufig zu einem Verlust des Verantwortungsbewusstseins und zur Entstehung des Gefühls, dass es sich nicht lohne, sich bei dieser Masse noch um das einzelne Individuum zu kümmern (vgl. VG Würzburg Urt. v. 12.3.2009, W 5 K 08.799). Das Gesetz fordert Pflege, Überwachung und Betreuung des Einzeltieres, insbesondere auch des schwächsten (vgl. VGH Mannheim NuR 1994, 487, 488). Deshalb wäre es auch möglich, zur Durchsetzung des Pflegegebots Obergrenzen für Tiergruppen durchzusetzen. Aus demselben Grund könnten bzw. müssten auch maximal zulässige Relationen von Tierbetreuern und Zahl der betreuten Tiere formuliert werden (Hirt/Maisack/Moritz, Kommentar zum TierSchG, § 2 TierSchG, Rn. 29). Für die Tierhaltung (insbes. auch bei Privatpersonen) ist ferner der jeweilige Platzbedarf jedes einzelnen Tiers zu berücksichtigen. In jeder Räumlichkeit oder Fläche gibt es begrenzte Kapazitäten, die ab einer bestimmten Anzahl an Tieren erschöpft sind. Unabhängig von der finanziellen Situation des Halters ist in diesen Fällen ohnehin ein Erwerbs- und/oder Haltungsverbot von der Behörde in Betracht zu ziehen, um dem tierschutzwidrigen Zustand abzuhelfen oder ihn zumindest nicht zu verschlimmern.

Auch auf andere Bedürfnisse wie etwa die erforderliche Betreuungszeit oder das Sozialverhalten der Tiere ist Rücksicht zu nehmen. Hier kann die Behörde auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse abstellen. Hält ein Tierhalter bspw. mehrere Tiere der selben Art, die alle jeweils mehrere Stunden Betreuung benötigen, und ergibt in der Gesamtbetrachtung der Anzahl der Tiere und der Zeit, die sie betreut werden müssen, dass der Halter dies alleine nicht gewährleisten kann, so hat die Behörde entsprechende Maßnahmen zu erlassen. Insoweit sind natürlich wiederum die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (z.B. ob Dritte Abhilfe schaffen, wenn diese die Tiere stundenweise betreuen). Selbiges gilt natürlich für die Feststellung, ob den Tieren die erforderliche, angemessene Fläche zur Verfügung gestellt werden kann oder ob ggf. eine Gruppengröße überschritten wird, wodurch die Tiere vermeidbaren Stress und somit vermeidbare Leiden erdulden müssen usw.

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