Juristische Ausarbeitungen

Juristische Ausarbeitungen von Herrn Stefan Jerzembek

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Berücksichtigungsfähigkeit der finanziellen Leistungsfähigkeit von Tierhaltern beim Erlass von Maßnahmen

KURZZUSAMMENFASSUNG:

Die sich aus § 2 TierSchG ergebende Pflicht, Tiere angemessen zu ernähren, zu pflegen und verhaltensgerecht unterzubringen hat zur Konsequenz, dass der Tierhalter hierfür auch die erforderlichen Kosten zu tragen hat. Verfügt ein Tierhalter nicht über ausreichende Mittel, um diese Pflichten zu erfüllen, muss er auf anderem Wege dafür sorgen, dass die Versorgung der Tiere sichergestellt wird, ggf. durch die Abgabe der Tiere an Personen oder Stellen, die die tierschutzgerechte Versorgung sicherstellen können. Der Tierhalter kann sich allerdings nicht darauf berufen, finanziell nicht leistungsfähig zu sein.

Private Tierhaltungen werden von den zuständigen Behörden nur anlassbezogen überprüft. Ein Verdacht auf einen Verstoß gegen Rechtspflichten ist dafür allerdings nicht erforderlich. Eine Auskunft kann auch aufgrund einer außerhalb des Tierschutzrechts entstandenen Grundlage gefordert werden. Kontrollen sind überdies nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht der Behörde. § 16 TierSchG konkretisiert insoweit für die Tierschutzbehörden den Amtsermittlungsgrundsatz. Bestehen bei der Behörde aufgrund entsprechender Berechnungen bezüglich der Haltungskosten für die Tiere unter Berücksichtigung der der Behörde bekannten finanziellen Situation des Halters Anhaltspunkte dafür, dass eine angemessene Versorgung der Tiere i.S.v. § 2 TierSchG nicht gewährleistet sein könnte, besteht für sie eine erhöhte Pflicht, eine vertiefe Überprüfung der Tierhaltung vorzunehmen. Denn wenn bereits aufgrund einfacher Berechnungen deutlich wird, dass eine finanzielle Absicherung der tierschutzgerechten Versorgung der Tiere zweifelhaft ist, so liegt es nicht fern, dass es tatsächlich Probleme bei der Versorgung der Tiere geben könnte. Insoweit besteht für die Behörde die Pflicht, frühzeitig aktiv zu werden, um Gefahren vorzubeugen oder ihnen frühestmöglich abzuhelfen. Ein zu langes Abwarten birgt die Gefahr, dass sich die tierschutzrechtlichen Probleme verschärfen. Dies führt zu vermehrtem, vermeidbaren Tierleid. Überdies liegt ein frühzeitiges Tätigwerden auch im Interesse des Halters, wenn dadurch verhinderten werden kann, dass zu einem späteren Zeitpunkt umfassendere und intensivere Grundrechtseingriffe erforderlich werden (bspw.  die Fortnahme eines Tieres statt dem Erlass einer Auflage zur Versorgung des Tieres bei gleichzeitigem Verbot des Erwerbs weiterer Tiere). Auch liegt ein frühzeitiges Tätigwerden im Interesse der Behörde, da sie dadurch verschärften tierschutzwidrigen Zuständen entgegenwirkt, welche wiederum eine größere Arbeitsbelastung und finanzielle Risiken nach sich ziehen.

Im gleichen Kontext steht ferner folgendes: Unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten kann die Haltung vieler Tiere auf engem Raum einen Verstoß gegen das Pflegegebot nach § 2 TierSchG bedeuten: Wird nämlich die Masse der Tiere für den Halter oder Betreuer zu groß und zu unübersichtlich, so führt dies zwangsläufig zu einem Verlust des Verantwortungsbewusstseins und zur Entstehung des Gefühls, dass es sich nicht lohne, sich bei dieser Masse noch um das einzelne Individuum zu kümmern (vgl. VG Würzburg Urt. v. 12.3.2009, W 5 K 08.799). Das Gesetz fordert Pflege, Überwachung und Betreuung des Einzeltieres, insbesondere auch des schwächsten (vgl. VGH Mannheim NuR 1994, 487, 488). Deshalb wäre es auch möglich, zur Durchsetzung des Pflegegebots Obergrenzen für Tiergruppen durchzusetzen. Aus demselben Grund könnten bzw. müssten auch maximal zulässige Relationen von Tierbetreuern und Zahl der betreuten Tiere formuliert werden (Hirt/Maisack/Moritz, Kommentar zum TierSchG, § 2 TierSchG, Rn. 29). Für die Tierhaltung (insbes. auch bei Privatpersonen) ist ferner der jeweilige Platzbedarf jedes einzelnen Tiers zu berücksichtigen. In jeder Räumlichkeit oder Fläche gibt es begrenzte Kapazitäten, die ab einer bestimmten Anzahl an Tieren erschöpft sind. Unabhängig von der finanziellen Situation des Halters ist in diesen Fällen ohnehin ein Erwerbs- und/oder Haltungsverbot von der Behörde in Betracht zu ziehen, um dem tierschutzwidrigen Zustand abzuhelfen oder ihn zumindest nicht zu verschlimmern.

Auch auf andere Bedürfnisse wie etwa die erforderliche Betreuungszeit oder das Sozialverhalten der Tiere ist Rücksicht zu nehmen. Hier kann die Behörde auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse abstellen. Hält ein Tierhalter bspw. mehrere Tiere der selben Art, die alle jeweils mehrere Stunden Betreuung benötigen, und ergibt in der Gesamtbetrachtung der Anzahl der Tiere und der Zeit, die sie betreut werden müssen, dass der Halter dies alleine nicht gewährleisten kann, so hat die Behörde entsprechende Maßnahmen zu erlassen. Insoweit sind natürlich wiederum die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (z.B. ob Dritte Abhilfe schaffen, wenn diese die Tiere stundenweise betreuen). Selbiges gilt natürlich für die Feststellung, ob den Tieren die erforderliche, angemessene Fläche zur Verfügung gestellt werden kann oder ob ggf. eine Gruppengröße überschritten wird, wodurch die Tiere vermeidbaren Stress und somit vermeidbare Leiden erdulden müssen usw.

Eine Langfassung des Artikels steht Ihnen als Download zu Verfügung:

A. Sachverhalt:
Die Stadt Limburg an der Lahn plant bzw. plante im Jahr 2023, die in der Stadt ansässigen Stadttauben durch Genickbruch durch einen Falkner töten zu lassen. Hintergrund war und ist die im Laufe der Corona-Pandemie angewachsene Anzahl an Tauben im Stadtgebiet. Im Jahr 2022 informierte sich der Magistrat bei verschiedenen Institutionen über die Einrichtung von Taubenhäusern. Zeitgleich meldet sich bei der Verwaltung eine ehrenamtlich tätige Person, die ihre Mithilfe bei der Errichtung von Taubenhäusern anbot, wobei sie schon auf erworbene Erfahrungen in Montabaur und Wiesbaden verweisen konnte. Im Januar 2022 wurden bei einer Zählung in der Limburger Innenstadt rund 270 Tauben erfasst. Aufgrund einer Formel aus dem Handbuch Stadttaubenmanagement leitet sich für die Verwaltung daraus eine geschätzte Zahl von rund 500 bis 700 Tauben ab. (Mitteilung der Stadt Limburg an der Lahn am 06.06.2023; Stadt LimburgÖffnet sich in einem neuen Fenster).

Der Magistrat legte der Stadtverordnetenversammlung im Sommer 2023 einen Bericht zur Taubenproblematik vor. In diesem regte die Verwaltung die Schaffung von zwei Taubenhäusern an. Danach sollten diese in der Innenstadt im alten Rathaus sowie in einem Gebäude in der Nähe des Neumarkts errichtet werden, wobei mit dem Besitzer schon Kontakt aufgenommen worden sei. Hierfür wurden einmaligen Investitionskosten in Höhe von 90.000 Euro veranschlagt, sowie jährliche Betriebskosten in Höhe von 13.000 Euro.

Diese Kosten wurden Berichten zufolge als zu hoch angesehen, weshalb nach mutmaßlich günstigeren Alternativen gesucht wurde. Der zuständige Ausschuss sprach sich in der Folge für eine Beauftragung eines Falkners aus, welcher die Stadttauben durch Tötung reduzieren sollte. Am 13.11.2023 beschloss die Mehrheit der Limburger Stadtverordnetenversammlung, dass der Magistrat einen Falkner zur Tötung der Tauben beauftragen solle. Nach zwei Jahren solle entsprechend des Beschlusses ein Erfahrungsbericht abgerufen werden. Nach Aussagen der Befürworter dieses Vorgehens sei anzunehmen, dass die Taubenpopulation innerhalb von zwei Jahren so reduziert werde, dass danach mit anderen Methoden eine erneute Überpopulation vermieden werden könne.

Vor der Umsetzung des Beschlusses und einer etwaigen Vergabe eines entsprechenden Auftrags durch den Magistrat nach § 66 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 HGO ist eine rechtliche Prüfung des vorgesehenen Vorgehens unter Einbeziehung des zuständigen Veterinäramtes vorgesehen. Dabei gilt es zu klären, ob der Beschluss einer rechtlichen Überprüfung standhält oder gegebenenfalls geltenden Gesetzen widerspricht.

B. Rechtliche Bewertung:
Die geplante Tötung von Tauben ist aus Sicht des Tierschutzes und des Tierschutzrechts abzulehnen. Bei Betrachtung der bekannten Informationen wäre eine entsprechende Entscheidung als rechtswidrig zu beurteilen und etwaige, tatsächlich stattfindende Tötungen sowie damit verbundene Handlungen – die auch das Treffen der Entscheidung zur Tötung umfassen – als ggf. strafrechtlich relevante Vorgänge, die von der Staatsanwaltschaft zu untersuchen wären.

I. Tierschutzrechtlicher Hintergrund
Zur Erläuterung des rechtlichen Hintergrunds wird auf folgende tierschutzrechtliche Regelungen verwiesen, die für den vorliegenden Sachverhalt von Relevanz sind:

Nach § 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) ist es Zweck dieses Gesetzes, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.

Nach § 17 TierSchG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer

1.ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder

2.einem Wirbeltier

a) aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder

b) länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden

zufügt.

Die Tötung eines Wirbeltiers hat unter Beachtung des § 4 TierSchG zu erfolgen. Nach § 4 Abs. 1 TierSchG darf ein Wirbeltier nur unter wirksamer Schmerzausschaltung (Betäubung) in einem Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit oder sonst, soweit nach den gegebenen Umständen zumutbar, nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden. Ist die Tötung eines Wirbeltieres ohne Betäubung im Rahmen weidgerechter Ausübung der Jagd oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften zulässig oder erfolgt sie im Rahmen zulässiger Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen, so darf die Tötung nur vorgenommen werden, wenn hierbei nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen entstehen. Ein Wirbeltier töten darf dabei nur, wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat.

Für eine gewerbsmäßige Schädlingsbekämpfung, die einen vernünftigen Grund i.S.d. § 1 Satz 2 und § 17 Nr. 1 TierSchG darstellen kann, ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Buchst. e TierSchG eine Erlaubnis erforderlich.

Insoweit stellt der Gesetzgeber also fest, dass

  1. jede Tötung eines Wirbeltieres eines vernünftigen Grundes bedarf,
  2. die Tötung von als „Schädlingen“ eingestuften Tieren aus Gründen der Schädlingsbekämpfung grds. einen vernünftigen Grund darstellen kann und
  3. die Tötung – auch von Schädlingen – grds. einer Betäubung bedarf und den Tieren nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen zugefügt werden darf.

II. Tauben als Schädlinge
Nach den oben genannten Normen kann es rechtlich zulässig sein, Schädlinge zu töten. Mangels anderslautender Anhaltspunkte wird diesseits davon ausgegangen, dass die fraglichen Tauben von der Stadt Limburg bzw. den Mitgliedern des Umweltausschusses als Schädlinge angesehen werden. Andere möglicherweise in Betracht kommende Rechtfertigungsgründe für die Tötung sind diesseits nicht erkennbar.

Vorausetzung dafür, dass die Tötung von Stadttauben als Schädlingen tierschutzkonform erfolgen kann ist, dass die Tauben objektiv als Schädlinge eingestuft werden können.

Dies setzt das Bestehen einer konkreten Gefahr voraus, die durch die Tiere ausgeht, also einen Zustand, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem erheblichen Schaden an bedeutenden Rechtsgütern führt, was mit konkreten Tatsachen belegt werden können muss (Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, 4. Aufl. 2023, TierSchG § 17 Rn. 50; so auch Bales/Baumann/Schnitzler, 2. Aufl. 2003, IfSG § 16 Rn. 3 und IfSG § 17 Rn. 4, 5). Ein vernünftiger Grund i.S.d. § 1 Satz, 2, § 17 Nr. 1 TierSchG und zur Einstufung als Schädling ist dabei nur anzuerkennen, wenn jenseits subjektiv empfundener Lästigkeit Schäden an rechtlich geschützten Gütern drohen oder eingetreten sind, z.B. an der Gesundheit von Mensch und Tier oder am Eigentum, wobei aufgrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Tätigwerden bei unwesentlichen Eigentumsbeeinträchtigungen ausscheidet (Lorz/Metzger/Metzger, 7. Aufl. 2019, TierSchG, Anh. § 1 Rn. 70). Das Erfordernis einer konkreten, mit Tatsachen belegbaren Gefahr gilt dabei insbesondere auch für Maßnahmen nach dem IfSG.

Im Gesetzgebungsverfahren zum 3. Änderungsgesetz des Tierschutzgesetzes hat der Bundesrat darauf hingewiesen, „dass eine Tötung von Wirbeltieren zur Schädlingsbekämpfung nur zulässig ist, soweit es zur Abwehr konkreter, von den Tieren ausgehender Gefahren für bedeutende Rechtsgüter erforderlich und unter Berücksichtigung von Art und Ausmaß des drohenden Schadens verhältnismäßig ist“ (BR-Drs. 300/12 (B) 2). In ihrer Erwiderung hat die Bundesregierung klargestellt, dass nach ihrer Einschätzung dieser Forderung „bereits durch das geltende Recht Rechnung getragen“ werde (BT-Drs. 17/10572, 52). Beide Verfassungsorgane gehen also davon aus, dass an das Vorliegen eines vernünftigen Grundes für das Fangen und Töten von Tieren zur Schädlingsbekämpfung strenge Anforderungen gestellt werden müssen (vgl. Begr., BR-Drs. 300/12 (B): „konkrete, von den Tieren ausgehende Gefahren für bedeutende Rechtsgüter …“; „kein milderes Mittel …“; „wenn der drohende Schaden nach Art und Ausmaß schwerer wiegt als die Eingriffe in das Leben, das Wohlbefinden und die Unversehrtheit der Tiere“). Dies gilt auch für die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe in den spezialgesetzlichen Regelungen zur Schädlingsbekämpfung. Die subjektive Einstufung eines Tieres als Schädling kann also für eine Bekämpfung nicht ausreichen (Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, 4. Aufl. 2023, TierSchG § 17 Rn. 50). So sehen es auch weite Teile der Literatur: „Es gibt viele Tierarten, bei denen sich die schädigende Wirkung auf zB Ruhestörungen oder Verschmutzungen beschränkt. Aus Tierschutzsicht darf hier niemals eine Tötung in Betracht gezogen werden“ (Deininger, AtD 2007, 108).

Auch die bloße Angst vor Krankheitsübertragung reicht nicht aus; vielmehr bedarf es epidemiologischer Erhebungen und konkret festgestellter Tatsachen, aus denen sich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit i.S.e konkreten Gefahr für Krankheitsübertragungen ergibt.  Dies dürfte bei Tauben grds. nicht der Fall sein (vgl. hierzu LG Osnabrück Urt. v. 20.3.2018, 14 O 409/17 und OLG Oldenburg, Beschl. v. 26.4.2019, 6 U 59/18, wonach nicht allgemein festgestellt werden kann, dass von Tauben schwere Erkrankungen auf Menschen übertragen werden). Ähnlich sieht es das VG Stuttgart unter Hinweis auf die Stellungnahme des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin v. 20.7.2001, wonach es „konkreter Anhaltspunkte für die Einstufung von verwilderten Stadttauben als Gesundheitsschädling iSv § 2 Nr. 12 IfSG“ bedarf (VG Stuttgart Urt. v. 29.9.2021, 15 K 4096/19). Auch nach Einstufung des VGH Mannheim sind Tauben nicht generell, sondern nur nach Maßgabe konkreter Anhaltspunkte als Gesundheitsschädlinge iSv § 2 Nr. 12 IfSG einzustufen (VGH Mannheim, Urt. v. 27. 9. 2005 - 1 S 261/05).

Eine solche konkrete Gefahr geht von Tauben in den ganz üblichen Fällen allerdings nicht aus (Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, 4. Aufl. 2023, TierSchG § 17 Rn. 50). Vorliegend ist die Stadt Limburg an der Lahn dazu verpflichtet, eine konkrete Gefahr mit Tatsachen objektiv zu belegen.  Anhaltspunkte dafür, dass in der Stadt Limburg an der Lahn besondere Umstände herrschen, die eine solche Einschätzung erlauben würden, sind nicht ersichtlich. Noch im Sommer dieses Jahres hat der Magistrat mit dem Vorschlag der Schaffung von Taubenhäusern und der vorgenommenen Zählung der Tauben die Sachlage ermittelt und bewertet, ohne derartige Umstände festzustellen. Auch in der Presse gibt es keine Berichte über eine besondere Gefährdungslage. Allein dies zeigt, dass die Einstufung der Tauben als Schädlinge aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht tragfähig ist.

Dem kann auch nicht die Entscheidung des Hessischen VGH entgegengehalten werden, wonach Tauben als Schädlinge betrachtet werden sollen, wenn sie in großen Schwärmen auftreten, was der Fall bei Schwärmen ab einer Größenordnung von etwa zehn Tieren pro 100 Quadratmeter Grundfläche sein (Hessischer VGH, Urt. v. 1.9.2011 - 8 A 396/10). Zum einen ist dieser Entscheidung entgegenzuhalten, dass aus der Anzahl der Tiere als solche keine konkrete Gefahr folgt. Zum anderen ist die von Tauben ausgehende gesundheitliche Gefährdung nicht größer ist als die durch Zier- und Wildvögel sowie durch Nutz- und Liebhabertiere. Die Ansteckungsgefahr mit auf den Menschen übertragbaren Krankheiten ist als sehr gering einzuschätzen (Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, 4. Aufl. 2023, TierSchG § 17 Rn. 53 m.w.N.). Die oben genannte jüngere Rechtsprechung, die neuere wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt als die Entscheidung aus 2011, ist dabei bei der behördlichen Entscheidungsfindung ebenfalls zu beachten.

Sofern die Entscheidung auf die durch Tauben üblicherweise zugeschriebenen Verschmutzungen gestützt wird, besteht ebenfalls keine ausreichende Tatsachengrundlage, um die Tauben als Schädlinge einzustufen. Die von Tauben vermeintlich erzeugten Sachschäden durch Verschmutzung und Verkotung von Bauwerken u.Ä. sind nicht geeignet, einen vernünftigen Grund zum Töten zu begründen. Das Institut für Massivbau der TU Darmstadt hat für einen im Jahr 2004 veröffentlichten Prüfbericht mit dem Titel „Einfluss von Taubenkot auf die Oberfläche von Baustoffen“ verschiedene Baustoffe mit Taubenkot beaufschlagt und überprüft. Die Proben ergaben ganz überwiegend, dass keine Veränderung und keine Verschmutzung bzw. z.T. eine nur leichte Verschmutzung oder ein leichter Schimmelpilz festgestellt werden konnten (Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, 4. Aufl. 2023, TierSchG § 17 Rn. 53). Dies stellte auch das VG Stuttgart für denkmalgeschützte Gebäude fest: „Bei denkmalgeschützten Gebäuden lassen sich zwar, bedingt durch den sog. sauren Regen und andere Umwelteinflüsse, zT erhebliche bauliche Schäden feststellen; dass diese aber zu einem erheblichen Teil auf Taubenkot zurückzuführen sein sollen, ist nicht bewiesen.“ (VG Stuttgart Urt. v. 29.9.2021, 15 K 4096/19). Nach den oben getroffenen Feststellungen ist daher nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und bei Betrachtung der juristischen Fachliteratur und jüngeren Rechtsprechung die Einstufung von Tauben als Schädlinge nicht zutreffend.

III. Verhältnismäßigkeitserwägungen
Soweit man entgegen der unter II. getroffenen Feststellungen davon ausgeht, dass die konkreten Tauben Schädlinge sind, sind bei der Bekämpfung der Tiere als Schädlinge die Art und das Ausmaß der Bekämpfungsmaßnahme festzulegen; ob und in welchem Ausmaß Bekämpfungsmaßnahmen erfolgen dürfen, ist auch hier nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu bestimmen. In die notwendige Güterabwägung sind das Leben, die Unversehrtheit und das Wohlbefinden der betroffenen Tiere mit demjenigen Gewicht einzustellen, das ihnen nach der Anerkennung des Tierschutzes als Staatsziel durch Art. 20a GG zukommt. Dabei ist der durch Art. 20a GG geschützten Unversehrtheits- und Wohlbefindensinteressen der Tiere so beachten, dass der verfassungsrechtlich vorgeschriebene Interessenausgleich erzielt und damit der Tierschutz nicht weiter zurückgedrängt wird, als es um vorgeordneter Belange willen zwingend erforderlich ist (Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, 4. Aufl. 2023, TierSchG § 17 Rn. 5a, 50).

Auch das „Wie“ der Schädlingsbekämpfung muss verhältnismäßig sein, d.h. die Bekämpfung muss so schonend erfolgen, wie dies nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse möglich ist; dazu müssen auch bereits zugelassene Methoden und Verfahren überprüft und ggf. geändert werden.

Liegt nach dem Ergebnis der Prüfung hier also eine konkrete Gefahr vor, muss nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit das mildeste Mittel gewählt werden, welches das angestrebte Ziel effektiv erreicht. In Betracht kommen also insbesondere bauliche Maßnahmen oder eine Vergrämung, ggf. in Verbindung mit der Einrichtung eines Taubenhauses).

Die Tötung eines Wirbeltieres darf nur als ultima ratio und nach erfolgloser Ausschöpfung der als mildere Mittel in Betracht kommenden Maßnahmen erfolgen. Sie ist insbesondere ungeeignet und entspricht damit nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn damit gerechnet werden muss, dass die reduzierte Population innerhalb weniger Monate wieder auf ihren Ausgangsbestand anwächst (vgl. Deininger, AtD 2007, 108).

Der Magistrat der Stadt Limburg an der Lahn hat nach der Pressemitteilung der Stadt am 06.06.2023 die Schaffung von zwei Taubenhäusern vorgeschlagen. Es ist nicht bekannt, dass zwischenzeitlich eine andere Bewertung bezüglich der Zweckmäßigkeit der Schaffung von Taubenhäusern erfolgte. Soweit die Behörde sich auf die Finanzierbarkeit dieser Maßnahme beruft und zu hohe Kosten als entgegenstehende Gründe anführt, ist dies grds. unbeachtlich. Wirtschaftlichkeitserwägungen alleine können im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu keinem anderen Ergebnis führen. „[W]irtschaftliche Interessen müssen (…) - wie jedes schutzwürdige menschliche Interesse beim Umgang mit Tieren - an den Belangen des Tierschutzes gemessen werden und sind gegebenenfalls Begrenzungen unterworfen. Sie sind nicht schon deshalb vernünftig im Sinne von § 1 Satz 2 TierSchG, weil sie ökonomisch plausibel sind“ (BVerwG, Urt. v. 13.6.2019 - 3 C 28.16). Sofern die Tötung der Tauben also zur Vermeidung höherer Kosten erfolgen sollte, kann dies alleine nicht Grund sein, die Tötung anderen Mitteln vorzuziehen. Überdies ist wissenschaftlich anerkannt, dass die Tötung von Stadttauben nicht geeignet ist, die durch die Tauben auftretenden Probleme dauerhaft zu beseitigen. Denn i.d.R. sind Tötungen nur von kurzfristiger Dauer oder sogar kontraproduktiv und bewirken mittel- bis langfristig höhere Kosten als das Ergreifen anderer Maßnahmen.

Nach dem BMEL-Schädlingsgutachten können bestimmte Prinzipien herangezogen werden, die für jede Art von Schädlingsbekämpfung Geltung beanspruchen können und daher auch hier zu berücksichtigen sind. Insbesondere können Maßnahmen zur Verminderung erst dann verhältnismäßig sein, wenn nachgewiesen ist (und nicht nur vermutet wird), dass infolge der Überpopulation gravierender Schaden an bedeutenden Rechtsgütern regelhaft auftritt oder ernsthaft droht (und nicht nur möglich erscheint; vgl. Gutachten S. 127). Auch gilt der „Vorrang der ökologischen Regulation“, d.h. bevor Tötungsmaßnahmen eingeleitet werden, muss in jedem Fall geprüft werden, welche Umweltbedingungen für den hohen Bestand verantwortlich sind, und es müssen die Ursachen abgestellt werden, die die Übervermehrung oder lokale Ansammlung der betreffenden Tiere begünstigen (vgl. S. 116, 127). Solange andere Maßnahmen zur Schadensabwehr ausreichen (insbesondere Vergrämungs- und Abschreckungsmethoden, aber auch bauliche Maßnahmen, z.B. zur Sicherung von Bauwerken o.Ä.), fehlt es an der Erforderlichkeit von Tötungen (vgl. S. 117, 131). Tötungsaktionen sind unverhältnismäßig, solange der von ihnen ausgehende Nutzen den angerichteten Schaden nicht überwiegt. Vielfach ist der von solchen Aktionen ausgehende Nutzen gering, denn „es ist nach wie vor offensichtlich vielen mit Verminderungsmaßnahmen befassten Menschen unklar, dass Reduzierungen in aller Regel die natürlichen innerartlichen Regulationsmechanismen außer Funktion setzen und zu einer ständigen Ankurbelung der Vermehrung führen“ (S. 130). Damit ist gemeint, dass die Tötung von Tauben ggf. zu einer stärkeren Vermehrung der (noch) nicht getöteten Tiere führen kann. An der Geeignetheit fehlt es, weil durch Tötungen die Populationen nur vorübergehend verringert werden. Die kurzfristig bewirkte Reduzierung des Taubenbestands wird insbes. durch eine erhöhte Lebenserwartung der Überlebenden sofort wieder wettgemacht (vgl. Haag-Wackernagel, Bestandsregulierung bei Straßentauben, in Sambraus/Steiger, Das Buch vom Tierschutz, 1997 S. 776, 778). Schon nach wenigen Monaten haben die Taubenschwärme wieder ihre ursprüngliche Größe erreicht (vgl. niedersächsisches MELV, Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation, Sept. 2019 S. 3; MUNLV NRW: „Tauben in unseren Städten“). Nach Feststellung des VG Düsseldorf können „langfristig erfolgreiche Maßnahmen gegen die Taubenplage nur in der nachhaltigen Einwirkung auf die für Tauben sehr günstigen Umweltverhältnisse wie Futter- und Nistplatzangebot, Niederlassungsmöglichkeiten etc. bestehen (…). Eine gezielte Tötung einzelner Tiere wird demgegenüber durch erhöhte Reproduktionsraten und Zuzügler aus anderen Gebieten umgehend ausgeglichen“ (VG Düsseldorf, Urteil vom 11. 1. 2005 - 18 K 5694/04). Dies ist von der zuständigen Behörde bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen.

Die Tötungen sind daher offensichtlich ungeeignet zur dauerhaften Bestandreduzierung. Selbst höchste Fangquoten von bis zu 45 % brachten keine erkennbaren Auswirkungen auf die Gesamtzahl (vgl. Hahn AtD 2016, 232, 233). Ferner fehlt es an der Erforderlichkeit der Maßnahme, weil als milderes und zugleich effektiveres Mittel die Einrichtung von betreuten Taubenhäusern zur Verfügung steht. Ein Beispiel dafür ist die Stadt Aachen, in der sich seit 1995 mehrere Natur- und Tierschutzorganisationen zu einem Taubenprojekt zusammengeschlossen haben: Heute werden dort zehn Taubenschläge durch sachkundige Personen ehrenamtlich betreut; die Tauben finden in den Schlägen Nistplätze und Futter; die Populationskontrolle erfolgt, indem die Eier in den Nestern gegen Attrappen ausgetauscht werden; auf diese Weise kann der Nachwuchs um bis zu 100 % verhindert werden; die Tauben setzen außerdem 80 % ihrer gesamten Kotmenge im Schlag ab, wo er eingesammelt und kontrolliert beseitigt werden kann. Es ist zudem auch wirtschaftlicher als die hohen Ausgaben für Tötungsaktionen, die von einzelnen Kommunen über Jahre hinweg immer wieder aufgewendet worden sind (Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, 4. Aufl. 2023, TierSchG § 17 Rn. 56 mit Verweis auf MUNLV NRW, „Tauben in unseren Städten“). In Limburg haben sich nach der Pressemitteilung vom 6.6.2023 freiwillige Bürgerinnen und Bürger bereiterklärt, ehrenamtlich tätig zu werden. Auch gibt es bereits bestehende Projekte in der Stadt.

Diese Ansicht teilt mittlerweile auch der Hessische VGH (Beschl. v. 18.10.2018, 2 B 1250/18), wonach „sich die Dichte von Vogelpopulationen ausschließlich am Nistplatz- und gegebenenfalls am Futterangebot ausrichtet und daher die durch den Fallenfang entstandenen Lücken durch andere, meist jüngere Tiere sofort wieder geschlossen werden“, weshalb es an der Geeignetheit fehle.

Zur fehlenden Erforderlichkeit des Tötens von Stadttauben auch in einem Gebiet, in dem sie nach der Entscheidung des Hessischen VGH vom 1.9.2011 (8 A 396/10) als Schädlinge eingestuft werden können, stellte das VG Stuttgart fest, dass der gegen eine Erlaubnis zum Fangen und Töten nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Buchst. e TierSchG klagende Tierschutzverein angeboten hatte, die Tauben auf dem fraglichen Gelände einzufangen und in einen betreuten Taubenschlag umzusiedeln; das Veterinäramt des beklagten Landkreises hatte dies als „ungeeignet und unverhältnismäßig“ angesehen. Das VG Stuttgart stellte hierzu fest: „[E]s drängt sich auf, dass der Beklagte vorliegend nicht einen Lebendfang mit anschließender ‚betreuter‘ Umsiedlung als Alternative zur Tötung hätte von vornherein ausschließen dürfen.“ (VG Stuttgart Urt. v. 29.9.2021, 15 K 4096/19). Da nach Auskunft der Ehrenamtlichen des Stadttaubenprojekts Limburg die Entscheidung für sie überraschend kam und sie somit nicht in die Entscheidungsfindung einbezogen wurden, obwohl sie sich bereits erfolgreich um Tauben kümmern, hat die Stadt auch offensichtlich nicht alle möglichen Optionen in Betracht gezogen.

Auch der Hessische VGH (Beschl. v. 18.10.2018, 2 B 1250/18), lehnt die Erforderlichkeit aufgrund des Bestehens milderer aber gleich effektiver Mittel zur Erreichung des Zwecks ab, welche im Einsatz von sog. „Spikes“ bestehen kann.

Neben der offensichtlichen Ungeeignetheit der Tötung von Tauben zur dauerhaften Bestandsreduzierung und der mangelnden Erforderlichkeit ist überdies die Tötung nicht angemessen. Im Rahmen der Nutzen-Schaden-Abwägung fallen auf der Schadensseite nicht nur der Tod der bekämpften Tiere, sondern auch ihre Leiden und die mit der Bekämpfungsmaßnahme verbundenen Risiken für andere Tiere und Umweltgüter ins Gewicht (Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, 4. Aufl. 2023, TierSchG § 17 Rn. 56). Insbesondere kommt hinzu, dass Stadttauben ganzjährig brüten und für die Brutpflege beide Eltern benötigt werden. Das Einfangen und/oder Töten vermehrungsfähiger Tiere führt also voraussehbar dazu, dass Nestlinge getöteter Elterntiere verhungern oder erfrieren und dadurch anhaltenden, erheblichen Leiden i.S.v. § 17Öffnet sich in einem neuen Fenster Nr. 2Öffnet sich in einem neuen Fenster Buchst. b TierSchG ausgesetzt sind (vgl. Schönfelder, NuR 2017, 26Öffnet sich in einem neuen Fenster, 30Öffnet sich in einem neuen Fenster).

IV: Ergebnis
Im Ergebnis lässt sich also feststellen, dass es für Tötungen zur Bestandsregulierung von Stadttauben grundsätzlich keinen vernünftigen Grund gibt, denn Tötungen sind weder geeignet noch erforderlich noch verhältnismäßig im engeren Sinne. Sofern im vorliegenden Fall keine entgegenstehenden, besonderen Gründe angeführt werden können – welche derzeit nicht ersichtlich sind – wird die Erteilung einer Erlaubnis zum Töten der Tauben sowie die Tötung der Tauben auf Grundlage dieser Erlaubnis rechtswidrig sein.

V. Strafbarkeiten und Ordnungswidrigkeiten

  1. Ordnungswidrigkeit nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. mit § 16 Abs. 2 Nr. 1 BArtSchV
    Sollte der Limburger Magistrat – wie von der Stadtverordneten-Versammlung beschlossen – einen Falkner damit beauftragen, in Limburg Stadttauben in Fallen zu fangen und anschließend durch Kopfschlag zu betäuben und mittels Genickbruch zu töten, so käme damit eine Ordnungswidrigkeit der Mitglieder des Magistrats nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. mit § 16 Abs. 2 Nr. 1 Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) und i. V. mit § 69 Abs. 3 Nr. 27 Buch. c Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in Betracht, die gem. § 69 Abs. 7 BNatSchG mit einem Bußgeld bis zu 10.000 EUR geahndet werden könnte. Eine Ausnahmegenehmigung kann zwar erteilt werden, jedoch gem. § 4 Abs. 3 BArtSchV nur durch die obere Naturschutzbehörde.

Solange eine solche Ausnahmegenehmigung nicht vorgelegt werden kann, sind die für Vögel vorgesehenen Fallen als rechtswidrig und deshalb als ungeeignete Vorrichtungen i. S. von § 11 Abs. 2 Nr. 4 TierSchG a. F. einzustufen. Bis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 oder 6 Satz 2 TierSchG ist § 11 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2, 2a, 5 und 6 TierSchG in der bis zum 13. Juli 2013 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Die Erlaubnis nach § 11 Abs. 2 Nr. 4 TierSchG a. F. zur Schädlingsbekämpfung darf nur erteilt werden, wenn in den Fällen des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. e TierSchG a.F. zur Verwendung vorgesehenen Vorrichtungen und Stoffe oder Zubereitungen für eine tierschutzgerechte Bekämpfung der betroffenen Wirbeltierarten geeignet sind; dies gilt nicht für Vorrichtungen, Stoffe oder Zubereitungen, die nach anderen Vorschriften zu diesem Zweck zugelassen oder vorgeschrieben sind, wobei eine solche Zulassung nicht besteht. Daher darf eine Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 8e TierSchG n. F. nicht erteilt werden.

Auch dürfte wohl keine Ausnahmegenehmigung der Artenschutzbehörde erteilt werden. Nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 BArtSchV kann die nach Landesrecht zuständige Behörde im Einzelfall weitere Ausnahmen von den Verboten des Absatzes 1 zulassen, soweit dies zur Abwendung erheblicher gemeinwirtschaftlicher Schäden erforderlich ist. Dies ist hier aber nicht der Fall, da nach den bekannten Informationen von den Tauben keine derartigen Gefahren ausgehen. Die Voraussetzungen, unter denen eine solche Ausnahme zugelassen werden kann, sind sehr eng (vgl. Lorz/Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, Bundesartenschutzverordnung [BArtSchV] § 4 Rn. 14 und Bundesnaturschutzgesetz [BNatSchG] § 45 Rn. 16, 17, 19).

Zwar ist zur Durchsetzung des Verbots in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BArtSchV die untere Naturschutzbehörde zuständig. Die Zuständigkeit des für Tierschutz zuständigen Veterinäramts ist aber insoweit berührt, als der Antrag auf eine tierschutzrechtliche Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 8e TierSchG zur Bekämpfung von Wirbeltieren als Schädlinge abgelehnt werden muss, wenn beabsichtigt ist, Tauben in Fallen zu fangen und nicht die dafür nach § 4 Abs. 3 BArtSchV erforderliche Ausnahmegenehmigung vorgelegt werden kann (vgl. dazu amtl. Begr., BT-Drs. 13/7015, 21, wonach mit der Einführung der gesetzlichen Erlaubnispflicht nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 8e „verhindert werden [soll], dass nicht tierschutzgerechte Vorrichtungen oder Stoffe zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden“; dass Fallen zur Bekämpfung von Vögeln – außer bei Vorliegen einer Ausnahmegenehmigung nach § 4 Abs. 3 BArtSchV – nicht tierschutzgerecht sind, ergibt sich aus § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BArtSchV (und, sofern es um jagdbare Tiere geht, aus § 19 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b BJagdG).

Ein hiergegen verstoßendes Fangen von Tauben in Fallen stellt damit eine Ordnungswidrigkeit nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 BArtSchV iVm § 69 Abs. 3 Nr. 27 Buchst. c BNatSchG dar. Das gilt nicht nur für diejenige Person, die die Fallen aufstellt, sondern (nach dem im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Einheitstäter-Begriff) auch für die Person, die dazu den Auftrag erteilt.

Mit dem Fangen von Vögeln in Fallen beschäftigte sich auch der hessische VGH, nach dessen Feststellungen bereits das Gefangen-Werden in Fallen für Vögel besonders belastend ist und ihnen erhebliche Leiden zufügt (vgl. Hessischer VGH, Beschl. v. 18.10.2018, 2 B 1250/18).

2. Strafbarkeit nach § 17 TierSchG durch das Fangen und die Tötung als solche
Die Erteilung eines dem Beschluss der Stadtverordneten-Versammlung entsprechenden Auftrags könnte auch einen Verstoß gegen § 17 Nr. 1 TierSchG i. V.m. § 26 Strafgesetzbuch (StGB) darstellen. Nach diesen Vorschriften macht sich strafbar, wer die Tötung eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund durchführt bzw. einen anderen dazu anstiftet. Dabei ist für jede gezielte Tötung von Tieren ein vernünftiger Grund erforderlich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15. 4. 2021, 3 B 9.20).

Der vernünftige Grund für die Taubentötung, mit der der Falkner nach dem Beschluss der Stadtverordneten-Versammlung beauftragt werden soll, entfällt bereits deswegen, weil Taubentötungen kein geeignetes Mittel zur Erreichung des Ziels der Verminderung des Taubenbestandes darstellen. Wie oben festgestellt erreicht die Taubenpopulation bereits kurze Zeit nach der Tötungsaktion wieder ihren ursprünglichen Bestand, weil  „sich die Dichte von Vogelpopulationen ausschließlich am Nistplatz- und gegebenenfalls am Futterangebot ausrichtet und daher die durch den Fallenfang entstandenen Lücken durch andere, meist jüngere Tiere sofort wieder geschlossen werden“ und es an der Erforderlichkeit fehlt, wenn  z.B. mit Spikes gleich effektive, mildere Mittel bestünden (vgl. dazu den Hessischen VGH, Beschl. v. 18. 10.2018, 2 B 1250/18).

Der vernünftige Grund für das Töten entfällt weiter deswegen, weil mit der Einrichtung und Betreuung von Taubenschlägen durch die Kommune, in denen die abgelegten Eier durch Attrappen ausgetauscht werden und der anfallende Kot geordnet und umweltgerecht beseitigt wird, ein ausreichend geeignetes, tierschonenderes und damit milderes Mittel zur Verfügung steht. Auch durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird eindeutig klargestellt, dass allein wirtschaftliche Gründe den Tierschutz nicht überwiegen können (BVerwG, Urt. v. 13.6.2019 - 3 C 28.16 zum Töten männlicher Eintagsküken).

Das durch die Tötung der Elterntiere verursachte Verhungern- und/oder Erfrieren-Lassen von Nestlingen kann ebenfalls eine Verwirklichung des Straftatbestands des § 17 Nr. 2b TierSchG darstellen (Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, 4. Aufl. 2023, TierSchG § 17 Rn. 56). Auch das Fangen der Tauben in Fallen kann aufgrund der für diese durch das Gefangen-Sein entstehenden länger andauernden Leiden überdies ggf. den Tatbestand des § 17 Nr. 2b TierSchG verwirklichen.

3. Strafbarkeit nach § 17 TierSchG durch die Art der Tötung
Die Methode der Tötung durch Genickbruch ist wegen der damit verbundenen Belastungen und Risiken grundsätzlich verboten, wie sich aus Anlage 1 Nr. 4 zur Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV) ergibt. Danach darf abweichend von Anhang I Kapitel I Tabelle 1 Nummer 5 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 der Genickbruch bei Geflügel nur außerhalb von Schlachthöfen im Falle der Nottötung nach Art. 2 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 und nur im Anschluss an eine Betäubung durchgeführt werden. Die Voraussetzungen für eine Nottötung nach Art. 2 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 sind beim Töten von in Fallen gefangenen Tauben nicht erfüllt. Die geplante Tötung ist also – auch bei vorgeschalteter Betäubung durch Schlag auf den Kopf – bereits gem. Anlage 1 zu § 12 Abs. 3 TierSchlV rechtswidrig; dasselbe gilt für die Auftragserteilung hierzu. Auch wenn der Name der Verordnung es nicht nahelegt, gilt sie nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 auch für „das Ruhigstellen, Betäuben und Töten von Tieren bei einer behördlich veranlassten Tötung“, wie es hier der Fall wäre, wenn die Tötung aufgrund einer Entscheidung des Magistrats erfolgen würde.

Die Prüfung des vernünftigen Grundes nach § 17 Nr. 1 TierSchG umfasst dabei – neben der Frage, ob mit der Handlung überhaupt ein nachvollziehbarer, billigenswerter Zweck mit einem zulässigen Mittel verfolgt worden ist, die einzelnen Elemente des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, nämlich die Geeignetheit, die Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, 4. Aufl. 2023, TierSchG § 17 Rn. 9, 11 m.w.N. in der Rspr.). Hieran fehlt es bei dem betäubungslosen Genickbruch, wie sich aus den o.g. Vorschriften ergibt.

VI. Berücksichtigung durch die Gerichte und Berücksichtigung der wissenschaftlichen Entwicklungen sowie geänderter Rechtsprechung durch die Verwaltung
Der Hessische VGH als das oberste Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Hessen ist als zweite Instanz vor allem für die Rechtsmittel (Berufungen, Beschwerden u.a.) gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen der hessischen Verwaltungsgerichte zuständig. Nach dem Urteil des Hessischen VGH vom 1.9.2011 (Az. 8 A 396/10) sind Tauben als Schädlinge zu betrachten, wenn sie in großen Schwärmen auftreten, was der Fall bei Schwärmen ab einer Größenordnung von etwa zehn Tieren pro 100 Quadratmeter Grundfläche sein soll. Aufgrund dieser Entscheidung und den damals für den konkreten Einzelfall getroffenen Feststellungen wird von manchen eine allgemeine Rechtmäßigkeit des Tötens von Stadttauben angenommen. Allerdings hat diese Entscheidung keine allgemeine Legalisierungswirkung zur Tötung von Tauben herbeigeführt. Auch wenn die Verwaltung Entscheidungen der für sie zuständigen Gerichte berücksichtigen muss und diese Entscheidung im damaligen Verfahren und für die zuständigen hessischen Behörden von Bedeutung ist, muss die Verwaltung darüber hinaus auch sonstige gerichtliche Entscheidungen und Veränderungen und Entwicklungen in Wissenschaft und Forschung sowie in der Rechtsprechung beachten.

Die grundsätzliche Bindungswirkung obergerichtlicher Entscheidungen gilt nicht, wenn nach der Entscheidung wesentliche Veränderungen eintreten, die vom von dem Gericht bei seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigt werden konnten; neue Tatsachen beseitigen diese Bindungswirkung.  Dies ist sogar für Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.11.1964, 1 BvR 216/64). Damals wurde festgestellt: „Die Gerichte sind an eine einmal feststehende Rechtsprechung nicht gebunden, dies insbesondere dann nicht, wenn diese sich im Licht geläuterter Erkenntnis oder angesichts des Wandels der sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Verhältnisse als nicht haltbar erweist“.

Seit der Entscheidung des Hessischen VGH im Jahr 2011 sind 12 Jahre vergangen und die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu effektiven Maßnahmen zur Verringerung von Tauben haben sich gewandelt. So haben etwa im Hinblick auf die Erforderlichkeit des Tötens von Stadttauben wesentliche Veränderungen insoweit stattgefunden, da zahlreiche Städte in Deutschland sich etwa dem „Augsburger Modell“ angeschlossen und damit regelmäßig positive Erfahrungen gewonnen haben. Darüber hinaus haben sich auch die Erkenntnisse und Entscheidungen der Rechtsprechung gewandelt, wobei im Folgenden nur auf diesen Aspekt eingegangen werden soll. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zahlreichen Ausarbeitungen verwiesen, die sich mit diesen Fragestellungen beschäftigt haben, insbesondere auch im konkreten Bezug auf die Entscheidungen und Geschehen in der Stadt Limburg im Jahr 2023 (vgl. etwa die „Kurzstellungnahme zu der Frage:  Ist die Tötung von Stadttauben zur Bestandsreduktion der Taubenpopulation in Innenstädten zulässig?“ der DJGT vom 11.11.2023 sowie „Tötung von Stadttauben in Limburg?  - Zu dem Beschluss der Stadtverordneten-Versammlung v. 13.11.2023, wonach die Stadtverwaltung einen Auftrag zum Fangen und Töten von Stadttauben in Limburg erteilen soll.“ von Dr. Christoph Maisack vom 4.12.2023)

Auch sind seit der o.g. Entscheidung des Hessischen VGH vom 1.9.2011 verschiedene, für den konkreten Sachverhalt in Limburg relevante und oben bereits z.T. angesprochene Entscheidungen ergangen, aus denen sich ergibt, dass eine bloße Bezugnahme auf die Entscheidung des Hessischen VGH alleine nicht ausreichend ist:

Das LG Osnabrück entschied mit Urteil vom 20.03.2018 (Az. 14 O 409/17; nachfolgend im Wesentlichen bestätigt durch OLG Oldenburg, Urt. v. 26.4.2019, 6 U 59/18), dass ein Betrieb, der eine Schädlingsbekämpfung betreibt, zur Unterlassung von 16 in dem Urteilstenor genau aufgelisteter Aussagen zu Stadttauben als Schädlinge und Überträger von Krankheiten verpflichtet ist. In der Entscheidung ging es nicht unmittelbar um Tierschutz, sondern um Verbraucherschutz. Diesbezüglich stellte das Gericht fest, dass der durchschnittliche Verbraucher durch die Werbung des Betriebs den Eindruck gewönne, dass die vom Betrieb in seiner Werbung beschriebenen Gefahren sicher bestünden, während die in den verbotenen Aussagen behaupteten Gefahren in Wirklichkeit nur mit einer fernliegenden Möglichkeit oder sogar gar nicht bestehen. Insoweit setzte sich das Gericht inhaltlich mit den von Tauben ausgehenden Gefahren für Menschen auseinander und stellte fest, dass sowohl die Gesundheitsgefährdungen für Menschen als auch die möglichen Sachbeschädigungen durch Tauben regelmäßig nicht erheblich sind. Auch wenn diese Entscheidung nicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit entstammt und insoweit nur eine mittelbare Bedeutung hat, so sind darin doch berücksichtigungsfähige Aussagen zur Gefährlichkeit von Tauben enthalten, die gleichermaßen im öffentlichen Recht zu beachten sind. Bei Betrachtung der Feststellungen in diesem Urteil wird deutlich, dass bei der Entscheidungsfindung sowohl durch Private aus auch durch die Verwaltung eine genaue Abwägung bezüglich der (mutmaßlich) von Tauben ausgehenden Gefahren erforderlich ist und dass hierbei die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde gelegt werden müssen.

Von unmittelbarer Relevanz und von erheblicher Bedeutung ist eine neuere Entscheidung des Hessischen VGH (Beschl. v. 18.10.2018, 2 B 1250/18). Daraus ergibt sich, dass Alternativmöglichkeiten zum Töten von Tauben zu überprüfen sind. Ausdrücklich stellte der Hessische VGH fest: „Für den Fang von Tauben in Fallen fehlt es bereits an der Geeignetheit dieser Maßnahme, um den gewünschten Effekt einer Reduktion des Vogelbestandes an einem bestimmten Ort herbeizuführen, weil sich die Dichte von Vogelpopulationen ausschließlich am Nistplatz- und gegebenenfalls am Futterangebot ausrichtet und daher die durch den Fallenfang entstandenen Lücken durch andere, meist jüngere Tiere sofort wieder geschlossen werden.“ Dies ist insbes. vor dem Hintergrund relevant, als dass der Hessische VGH selbst andere Bewertungen vornimmt als in seiner Entscheidung 2011. Die geänderte Auffassung des Gerichts bezüglich der Effektivität des Fangens von Tauben ist im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von erheblicher Bedeutung für die Beantwortung der Frage, inwieweit dieses Mittel geeignet ist zur Erreichung des angestrebten Zwecks.

Ebenfalls Inhalt dieser Entscheidung war die Feststellung, dass „es auch an der Erforderlichkeit der Maßnahme [fehlt], weil durch die Einrichtung von Taubenschlägen oder lokal begrenzte Vergrämungsmaßnahmen an besonders sensiblen Örtlichkeiten (z. B. Plastikspikes) tierschonendere Alternativen zur Verfügung stehen.“ Entsprechend dieser Feststellung ist die Verwaltung verpflichtet – wie auch sonst im Rahmen jeglicher Entscheidungen – bei der Prüfung verschiedener Maßnahmen immer den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.

Auch wird in der Entscheidung ausdrücklich festgestellt, dass § 4 Abs. 1 BArtSchV beim Fangen von Tauben mit Fallen zu berücksichtigen ist. In der Entscheidung des Hessischen VGH vom 1.9.2011 (Az. 8 A 396/10) war dies nicht Inhalt der Prüfung. Bereits aus diesem Grund ergibt sich, dass eine Bezugnahme lediglich auf die Entscheidung von 2011 die obergerichtliche Rechtsprechung nicht umfassend würdigt und die Entscheidung aus 2018 zu beachten ist.

Eine weitere zu berücksichtigende Entscheidung traf das VG Stuttgart mit Urteil vom 29.9. 2021 (Az. 15 K 4096/19). Bereits im Leitsatz stellte das Gericht fest: „Auch wenn feststeht, dass es sich am konkreten Standort bei verwilderten Stadttauben um Schädlinge im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 lit. e TierSchG handelt, so hat die zuständige Tierschutzbehörde vor Erteilung einer tierschutzrechtlichen Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Bekämpfen einzelfallbezogen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu bestimmen, ob und in welchem Maße Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen erfolgen dürfen. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob verwilderte Stadttauben lediglich mittels einer Tötung erfolgreich bekämpft werden können.“ Danach ist „in Bezug auf die jeweilige Tierart einzelfallbezogen nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu bestimmen, ob und in welchem Maße Bekämpfungsmaßnahmen erfolgen dürfen (...). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt es auf der Hand, dass für jede gezielte Tötung ein ‚vernünftiger Grund‘ erforderlich ist (…). Allerdings wurde durch das Landratsamt nicht hinreichend geprüft, ob diese Maßnahme, das Töten der verwilderten Stadttauben, auch geeignet, erforderlich und angemessen ist (…). Vorliegend hat der Beklagte (…) von vornherein kein milderes Mittel als die Tötung der Tauben geprüft, obwohl sich die nähere Prüfung von Alternativen aufgedrängt hätte (…). Angesichts dieser Stellungnahmen drängt sich auf, dass der Beklagte vorliegend nicht (…) einen Lebendfang mit anschließender ‚betreuter‘ Umsiedlung als Alternative zur Tötung hätte von vornherein ausschließen dürfen.“ Diese Entscheidung setzte sich ebenfalls mit der Frage der Geeignetheit des Tötens von Tauben auseinander und berücksichtigte wissenschaftlichen Erkenntnisse, wonach die Tötung von Tauben nur eine kurzfristige Reduktion der Anzahl der Tauben zur Folge hat, langfristig jedoch nicht. Ferner stellte das VG Stuttgart fest, dass die von Tauben für Menschen ausgehenden Gefahren als nicht erheblich anzusehen sind und dass die durch Tauben verursachten Gebäudeschäden zu vernachlässigen sind, was wiederum neuere wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt als die 2011 ergangene Entscheidung des Hessischen VGH.

Ebenfalls von Relevanz – auch wenn nicht konkret auf Tauben bezogen – ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum vernünftigen Grund i.S.d. § 1 Satz 2, § 17 Nr. 1 und § 18 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG. Danach ist ein Grund für das Zufügen von Schmerzen, Leiden oder Schäden dann vernünftig i.S.d. Tierschutzgesetzes, wenn es einem schutzwürdigen menschlichen Interesse dient, das unter den konkreten Umständen schwerer wiegt als das Interesse am Schutz des Tieres (BVerwG, Urt. v. 13.6.2019, 3 C 28.16). Ein konkreter Bezug zu der Situation in Limburg lässt sich dadurch herstellen, dass nach der Begründung der Limburger Stadtverordnetenversammlung die Einrichtung von Taubenhäusern im Vergleich zur Tötung der Tauben zu teuer sei. In dem o.g. Urteil stellte das Bundesverwaltungsgericht zum Töten von männlichen Eintagsküken fest, dass „[b]ei einer Abwägung der gegenläufigen Belange die Belange des Tierschutzes schwerer (wiegen] als das wirtschaftliche Interesse der Brutbetriebe, Folgekosten für die männlichen Küken aus Legelinien zu vermeiden.“ In einer weiteren Formulierung stellte das Bundesverwaltungsgericht fest: „[W]irtschaftliche Interessen müssen (…) - wie jedes schutzwürdige menschliche Interesse beim Umgang mit Tieren - an den Belangen des Tierschutzes gemessen werden und sind gegebenenfalls Begrenzungen unterworfen. Sie sind nicht schon deshalb vernünftig im Sinne von § 1 Satz 2 TierSchG, weil sie ökonomisch plausibel sind.“ Die ausdrückliche Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, dass wirtschaftliche Gründe für sich allein betrachtet keine ausreichende Begründung für die Entscheidung zur Tötung von Tieren statt zur Ergreifung von anderen Maßnahmen sind, bestätigt damit die Rechtsprechung von Gerichten unterer Instanzen und ist auch in diesem Sachverhalt zu berücksichtigen. Insoweit müsste die Verwaltung sich explizit mit der Frage auseinandersetzen und prüfen, welche verschiedenen Alternativen bestehen.

Aus der Gesamtschau dieser Entscheidungen ergibt sich, dass die Feststellungen des Hessischen VGH im Jahr 2011 keine unbegrenzte Bindungswirkung für die Verwaltung zur Folge haben. Die später ergangenen Entscheidungen zeigen, dass sich sowohl die wissenschaftlichen Erkenntnisse als auch die rechtliche Bewertung durch die Gerichte gewandelt haben. Diese Entwicklungen sind von der Verwaltung bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.

VII. Fazit
Den hiesigen Kenntnisstand zugrunde legend ist festzustellen, dass die Situation in der Stadt Limburg keine Tötung der Tauben rechtfertigt und dass eine Entscheidung zur Tötung daher nicht rechtmäßig erfolgen kann.

Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, darf nach § 2 Nr. 2 TierSchG die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Liegt ein rechtlich geschütztes Interesse des Menschen vor, darf das Bewegungsbedürfnis des Tiers eingeschränkt werden, aber nicht über die Grenze eines angemessenen, dem ethischen Tierschutz entsprechenden Ausgleichs zurückgedrängt werden.
Ein allgemeiner Leinenzwang kann, soweit es zum Schutz der Bevölkerung vor Gefahren und erheblichen Belästigungen erforderlich und verhältnismäßig ist, durch Gesetz oder Rechtsverordnung angeordnet werden. Jedoch verstößt ein Leinenzwang, der ohne Rücksicht auf Art und Größe der Hunderassen für das gesamte Gemeindegebiet generell gilt, gegen das Übermaßverbot (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 08.04.2001 - 5 Ss OWi 1225/00). Zu beachten ist hier, dass die Entscheidung noch vor der Aufnahme des Tierschutzes in Art. 20a GG erging; der seitdem noch höherwertige Rang des Tierschutzes ist heute daher erst recht zu berücksichtigen. Es muss in solchen Fällen zumindest öffentliche Flächen in ausreichender Zahl, Größe und räumlicher Verteilung geben, die als Hundeauslaufzonen benutzt werden können (vgl. dazu OVG Lüneburg, Urt. v. 17.05.2017 - 11 KN 105/16).
Nach dem OVG Weimar ist ein ordnungsbehördlich verordneter Leinenzwang verhältnismäßig, sofern und solange Hundehalter und –führer, die mit ihren Hunden für einen freien Auslauf geeignete Örtlichkeiten aufsuchen wollen, nur „geringfügige Unbequemlichkeiten“ auf sich nehmen müssen. Ein Leinenzwang ist dagegen unverhältnismäßig, wenn er dazu führt, dass der Normalbürger mit seinem Hund solche Örtlichkeiten nur noch „bei überhöhten organisatorischen Anstrengungen“ aufsuchen und nutzen kann, wie zB bei einem für das gesamte Stadt- bzw. Gemeindegebiet geltenden Leinenzwang. Hundehaltung ist ein „sozialtypisches Verhalten“, das nicht in einer Weise reglementiert werden darf, „dass damit dem Normalbürger, der nicht private, große, für einen freien Auslauf geeignete Areale besitzt, eine artgerechte Hundehaltung praktisch kaum oder nur noch bei überhöhten organisatorischen Anstrengungen möglich wäre.“ (OVG Weimar, Urt. v. 26.04.2007 – 3 N 699/05).
Die Entscheidung des OVG Weimar bezog sich auf einen Leinenzwang lediglich für die Nachtstunden; selbst für diesen Zeitraum wurde ein vollumfänglicher Leinenzwang als unverhältnismäßig angesehen. Dies dürfte daher übertragbar sein auf einen vollumfänglichen Leinenzwang für eine bestimmte Jahreszeit. Insoweit sind natürlich der Wildtierschutz der Brut- und Setzzeit zu berücksichtigen; zu fragen wäre diesbezüglich, inwieweit es Flächen im Gemeindegebiet gibt, die dennoch auch ohne Leine genutzt werden könnten.
Soweit gegenteilig teilweise vertreten wird, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe des Verordnungsgebers sei, das artgerechte Halten von Hunden zu ermöglichen, sondern Sache des Hundehalters, für die artgerechte Haltung seines Tieres zu sorgen und sich von diesem gegebenenfalls zu trennen, wenn er dessen artgerechte Haltung nicht mehr gewährleisten kann (so VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 06.07.1989 - 1 S 3107/88), ist dem entgegenzuhalten, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber an Art. 20a GG und die Grundrechte gebunden ist. Eine unverhältnismäßige Einschränkung darf nicht erfolgen; die Belange des Tierschutzes sowie die Grundrechte der Hundehalter sind ausreichend zu berücksichtigen.
Ein genereller Leinenzwang auf allen öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen, Grün- und Parkanlagen und die damit verbundene dauernde Einschränkung für den Hund, seinem Bewegungsbedürfnis nachzukommen, oder die arttypische Kommunikation mit anderen Hunden aufzunehmen, haben Verhaltensfehlentwicklungen zur Folge, die als Schäden im Sinne des § 1 Satz 1 i. V. m. § 2 Nr. 2 TierSchG anzusehen sind. Durch die fehlende
Hundehalter „ohne überhöhte organisatorische Anstrengungen“, dh mit zumutbarem Aufwand.