Wegweiser

Möglichkeiten für Städte und Gemeinden, sich in Sachen Tierschutz zu engagieren

Lesedauer:4 Minuten

Auch wenn das Tierschutzrecht ein Bundesrecht ist und viele Regelungen dementsprechend vom Bund kommen (zum Beispiel grundlegende Vorgaben zur Nutztierhaltung oder zur Hundehaltung), können auch Kommunen sich in vielen Bereichen für den Tierschutz auf ihrem Gemeindegebiet engagieren. Dabei sind viele Maßnahmen nicht einmal mit zusätzlichen Kosten für die Verwaltung verbunden.

Die Landestierschutzbeauftragte (LBT) hat hier einige beispielgebende Vorschläge zusammengestellt:

Bereich Heimtiere, Tierheime, Zirkus:

  • Aufklärungsarbeit zum Thema Kennzeichnung und Registrierung von Heimtieren (v.a. Hunde und Katzen) z.B. durch Pressemitteilungen, Flyer, Broschüren (Infos sowie kostenfreie Flyer sind bei der LBT zu erhalten).
  • Einführung einer sogenannten Katzenschutz-Verordnung, die das Kastrieren, Kennzeichnen und Registrieren von Freigänger-Katzen regelt (sog. 13b TierSchG-Verordnung, die schon ca. 40 hessische Kommunen erlassen haben). Infos, Musterverordnungen, FAQ´s sind bei der LBT erhältlich.
  • Steuererleichterungen bzw. Steuererlasse für Hunde, die bspw. aus dem regionalen Tierschutz stammen.
  • Steuererleichterungen für Hundehalter, die freiwillig eine Sachkundeprüfung abgelegt haben
  • Beendigung/Abschaffung rassebedingter Zuschläge bei der Erhebung der Hundesteuer.
  • Bereitstellung von kommunalen Plätzen für Zirkusse mit bestimmten Wildtieren unter Sicherheitsaspekten regeln. Auch hier bietet bei Interesse das Büro der LBT weitergehende Informationen an.
  • Das regionale Tierheim zeitgemäß finanziell unterstützen. Fundtierbetreuung als an das Tierheim übertragene kommunale Aufgabe angemessen entschädigen. Präsenz der Kommune bei Tierheimfesten durch eine Schirmherrschaft oder Infostände stärkt den örtlichen Tierschutz.
  • In akuten Notfällen und wenn es ein nahe gelegenes Tierheim mit Notdienst oder Notboxen nicht gibt, eine kurzfristige Fundtieraufnahme  innerhalb der Gemeinde  regeln und Unterbringungsmöglichkeit schaffen.

Bereich Bildung, Kindergärten etc.:

  • In Kindergärten / kommunalen Betreuungseinrichtungen etc. Projekte zum Tierschutz anstoßen und vielleicht sogar Wettbewerbe oder ähnliches initiieren / ausschreiben (denkbar sind hier sowohl praktische Projekte wie bspw. Eierherkunft, Sprache der Hunde/Katzen, welche Tiere sind geeignet als Heimtier als auch künstlerische oder sachliche Beschäftigung mit dem Thema Tierschutz durch Mal- bzw. Bastelwettbewerbe oder ähnlichem).

Bereich wildlebende Tiere:

  • sofern seitens der Verwaltung oder der Bürgerschaft ein „Taubenproblem“ gesehen wird… - Einrichtung eines Taubenschlages / Aufklärungsarbeit leisten / evtl. Freiwillige suchen zum Austausch der Eier etc.
  • sofern vor Ort Probleme mit Wildtieren wie bspw. Nutria / Waschbär / Nilgänsen gesehen werden; Aufklärungsarbeit leisten, Infomaterial bereitstellen, evtl. Sterilisationsprojekte anstoßen (hier steht das Büro der LBT mit Rat und Hilfe zur Verfügung).

Bereich Nutztiere:

  • Information / Abstimmung mit dem Bauamt bzw. auch mit der Kreisbaubehörde zum Thema Genehmigungen von Außenklimaställen im Nutztierbereich; diese gelten als tierschutzfachlich zukunftsfähig und tierwohlorientiert, werden aber häufig aufgrund angenommener (nicht aber nachgewiesener) höherer Emissionswerte nicht genehmigt. 
    Fachliche Unterstützung kann auch hier seitens der LBT bereitgestellt bzw. vermittelt werden.

Gerne kann auch bei einem Beratungsbedarf das Büro der LBT unter tierschutz@umwelt.hessen.de kontaktiert und ein Gespräch vor Ort verabredet werden.

Darüber hinaus gibt es viele Informationen im Bereich Biologische Vielfalt, Arten- und Naturschutz sowie Fördermöglichkeiten dazu (auch für Kommunen) auf der folgenden Seite des Landes Hessen:
Biologische Vielfalt Hessen - BiodiversitätsstrategieÖffnet sich in einem neuen Fenster

Fördermöglichkeiten: Biologische Vielfalt Hessen - FördermöglichkeitenÖffnet sich in einem neuen Fenster

Sofern Interesse besteht, eine Klimakommune zu werden, mit der viele Fördermöglichkeiten verbunden sind, finden Sie hier vielfältige Informationen: 
Klima-Kommunen-HessenÖffnet sich in einem neuen Fenster

 

Aussetzung von durch GefahrenabwehrVO beschlossenen Taubenfütterungsverboten“ wegen der z. Zt. leerer Innenstädte

Zur Zeit gibt es bei uns viele Anfragen zu hungernden Tauben weil die Innenstädte leer sind. Die Tiere ernähren sich seit nahezu unvordenklicher Zeit von den Überresten bzw. Abfällen menschlicher Nahrung, und dass diese jetzt praktisch über Nacht ausbleiben begründet für viele Tiere die Gefahr, zu verhungern.  

Solange ein ordnungsrechtliches Fütterungsverbot besteht (meistens: kommunale Gefahrenabwehrverordnung zur Abwehr der von verwilderten Tauben ausgehenden Gefahren), sollte man dieses auf keinen Fall umgehen.

Wir empfehlen stattdessen, mit der Gemeindeverwaltung abzuklären, ob man den Vollzug des Verbots vorübergehend aussetzen könnte. Nach § 5 Absatz 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung – HSOG – treffen die Gefahrenabwehrbehörden ihre Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen, d. h.: der Bürgermeister (bzw. in Sonderstatusstädten der Oberbürgermeister) in seiner Eigenschaft als örtliche Ordnungsbehörde i. S. von § 85 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 HSOG kann auch entscheiden, gegen Handlungen, die zum Zweck der Gefahrenabwehr verboten sind – hier also das Taubenfüttern –, während eines bestimmten Zeitraums aus besonderen Gründen – hier: plötzlich aufgetretene Futternot der Tauben infolge fehlender Nutzung der Innenstädte – nicht einzuschreiten, das Fütterungsverbot während des genannten Zeitraums also nicht zu vollziehen. Eine Verordnungsänderung kann – da dazu gem. § 74 Satz 2 HSOG die Gemeindevertretung bzw. Stadtverordnetenversammlung tätig werden müsste – zu langwierig und daher in der aktuellen Situation nicht zielführend sein. Für die Entscheidung zur vorübergehenden Aussetzung des Vollzugs wäre der Bürgermeister/Oberbürgermeister als örtliche Ordnungsbehörde zuständig, § 85 Absatz 1 Nr. 4 HSOG. Da die Verordnung als solche unverändert bliebe, bedürfte es dafür keines Tätigwerdens der Gemeindevertretung/Stadtverordnetenversammlung.

In Baden-Württemberg wurde in einem ähnlichen Fall von dem dortigen zuständigen Landratsamt zu einer vorübergehenden Duldung geraten. Dies könnte beispielsweise ein vom Bürgermeister herausgegebener Erlass sein, dass in der Gemeinde ein entsprechender Verstoß gegen die Gefahrenabwehrverordnung für einen bestimmten Zeitraum nicht verfolgt wird (weder durch Ordnungsverfügung noch durch Verhängung von Bußgeld). Wie der Bürgermeister diese Duldung letztlich ausgestaltet – beschränkt auf einen bestimmten Zeitraum; evtl. auch beschränkt auf bestimmte Örtlichkeiten, an denen das Füttern während des genannten Zeitraums geduldet wird – ist seinem Ermessen überlassen (§ 5 Absatz 1 HSOG). 

Mit der Entscheidung, den Vollzug des in der Gefahrenabwehrverordnung enthaltenen Fütterungsverbots – beschränkt auf einen bestimmten Zeitraum und evtl. auch auf bestimmte Örtlichkeiten – vorübergehend auszusetzen, wäre zugleich auch die Entscheidung des nach § 36 Absatz 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten als örtliche Ordnungsbehörde zuständigen Bürgermeisters/Oberbürgermeisters (vgl. § 77 Absatz 3 HSOG) verbunden, Taubenfütterungen, die sich im Rahmen der von ihm verfügten Aussetzung des Fütterungsverbotes halten, nicht als Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen.

Sollte es sich bei der Gefahrenabwehrverordnung, die das Füttern von Tauben verbietet, um eine Verordnung des Landkreises handeln, so tritt an die Stelle des o. e. Bürgermeisters/Oberbürgermeisters der Landrat. Entsprechendes gilt für Gefahrenabwehrverordnungen des Regierungspräsidiums oder des Innenministeriums.

Ob das Land ein in einer Gemeinde erlassenes Taubenfütterungsverbot zeitweise aussetzen kann, ist aufgrund der Zuständigkeiten fraglich. Nach den §§ 72-74 HSOG werden Gefahrenabwehrverordnungen – je nach der Größe des Gebietes, für das sie gelten sollen – vom Minister des Innern, vom Regierungspräsidium, vom Landratsamt oder von der Gemeinde erlassen. Bei den Verordnungen zur Abwehr der von verwilderten Tauben ausgehenden Gefahren dürfte es sich in der Regel um Gefahrenabwehrverordnungen der jeweiligen Gemeinde handeln, deren Zuständigkeit sich aus § 74 Satz 1 HSOG ergibt. Die Verordnung wird dann gem. § 74 Satz 2 HSOG von der Gemeindevertretung beschlossen (die folglich auch für ihre nachträgliche Abänderung, z. B. für die Aufhebung während eines bestimmten Zeitraums, zuständig ist – nicht hingegen für die nur vorübergehende Aussetzung ihres Vollzugs, die nach § 85 Absatz 1 Nr. 4 HSOG Sache des Bürgermeisters/Oberbürgermeisters wäre).

Da es sich bei der Gefahrenabwehr um eine sog. Auftragsangelegenheit handelt, unterliegt die Gemeinde der Fachaufsicht der dafür zuständigen Landesbehörden (bei Gemeinden mit bis zu 50.000 Einwohnern: Landratsamt, Regierungspräsidium, Minister des Innern, § 83 Absatz 1 Nr. 2 HSOG; bei größeren Gemeinden, kreisfreien Städten und Landratsämtern: Regierungspräsidium, Minister des Innern, § 83 Absatz 1 Nr. 1 HSOG). Nach § 84 Satz 1 HSOG können die zur Fachaufsicht zuständigen Behörden den Kreisausschüssen und Gemeindevorständen allgemeine und bei Nichtbefolgung auch auf den Einzelfall bezogene Weisungen erteilen, § 84 Satz 2 HSOG. Soweit nach den Umständen erforderlich, besteht nach § 88 Absatz 1 HSOG auch ein Selbsteintrittsrecht, d. h. die zur Fachaufsicht zuständigen Behörden können auch die Befugnisse der ihrer Aufsicht unterstehenden Ordnungsbehörden selbst ausüben. Zum Beispiel könnte also bei einer kreisangehörigen Gemeinde mit bis zu 50.000 Einwohnern das Landratsamt den Bürgermeister der Gemeinde anweisen, den Vollzug des durch Gefahrenabwehrverordnung bestimmten Taubenfütterungsverbot für einen Zeitraum von bestimmter Dauer auszusetzen und – sollte dieser Weisung nicht gefolgt werden – den Vollzug des Fütterungsverbots auch selbst für die genannte Zeit aussetzen. Dieser Weg dürfte jedoch deutlich umständlicher sein und länger dauern als der o.g. Vorschlag, direkt an die Gemeinde heranzutreten.

Schlagworte zum Thema