Urteil: Details

Öffentliches Recht

Tierhaltungen

Pferd

BVerwG

16.12.2024

3 B 13.24

Sachverhalt

Der Kläger wendet sich gegen die Untersagung der Einzelhaltung seines Pferdes ohne Kontakt zu Artgenossen, die der Beklagte mit Bescheid vom 8.4.2019 erlassen hat. Der Kläger hält den Kaltblutwallach Lukas seit 2017 alleine, nachdem sein letztes weiteres Pferd verstorben war. Nach zwei Kontrollen und einer schriftlichen Anhörung untersagte der Beklagte die Einzelhaltung unter Berufung auf § 16a Absatz 1 Satz 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG), der es ermöglicht, notwendige Anordnungen zur Beseitigung und Verhütung von Verstößen zu treffen. Nach § 2 Nr. 1 TierSchG sind Tiere so zu halten, dass ihre artgerechten Verhaltensbedürfnisse erfüllt werden. Die „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz aus dem Jahr 2009 stellen fest, dass Pferde soziale Tiere sind, die unbedingt Kontakt zu Artgenossen benötigen. Die Einzelhaltung ohne sozialen Kontakt widerspricht daher dem natürlichen Sozialverhalten der Pferde.
Das Verwaltungsgericht Greifswald hat die Anfechtungsklage gegen die Untersagung abgewiesen, ebenso das Oberverwaltungsgericht Greifswald, das die Berufung zurückwies. Die Entscheidung basiert auf § 16a Absatz 1 Nummer 2 TierSchG, der die Anordnung von Haltungsauflagen ermöglicht, nicht aber ein generelles Tierhaltungsverbot. Die Einzelhaltung ohne Sicht-, Hör- und Geruchskontakt zu Artgenossen stellt eine unangemessene Einschränkung des Bedürfnisses nach sozialem Kontakt dar und verletzt die Pflichten aus § 2 Nr. 1 TierSchG. Die Leitlinien wurden als sachverständige und wissenschaftlich fundierte Grundlage für die Beurteilung anerkannt, auch wenn sie keine Rechtsverordnung im Sinne von § 2a Absatz 1 TierSchG darstellen. Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme wurde durch Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des TierSchG bestätigt. Eine Rechtsverordnung zur Einzelhaltung von Pferden sei nicht zwingend erforderlich, da andere Instrumente wie Leitlinien den Tierschutz ausreichend gewährleisten können.
Das Oberverwaltungsgericht hat zudem festgestellt, dass der Beklagte sein Ermessen bei der Anordnung der Einzelhaltungsuntersagung ordnungsgemäß ausgeübt hat. Eine Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Der Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides an und kündigte die mögliche Entfernung des Pferdes zu einer tierschutzgerechten Unterbringung an. Der Kläger beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage, die bis zur Entscheidung durch den Senat gewährt wurde.

Beurteilung

Die Beschwerde wird abgewiesen, da keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 132 II Nr. 1 VwGO vorliegt und keine Verfahrensmängel gemäß § 132 II Nr. 3 VwGO festgestellt wurden. Eine Revision ist nur zulässig, wenn eine bedeutsame, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage besteht, die noch höchstrichterlich geklärt werden muss. Dies trifft hier nicht zu, da die Rechtslage klar und durch bestehende Rechtsprechung hinreichend bestimmt ist.
Die zentrale Frage, ob die Untersagung der Einzelhaltung eines Pferdes ohne Sicht-, Hör- und Geruchskontakt zu Artgenossen durch die §§ 2 Nr. 1 und 16a I 2 Nr. 1 TierSchG gedeckt ist, kann anhand des Gesetzes und der Rechtsprechung bejaht werden. Das TierSchG verlangt, Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend angemessen und verhaltensgerecht zu halten, ohne dass eine weitergehende gesetzliche Regelung zur Haltungsform von Pferden notwendig ist. Ein Verordnungsvorbehalt für solche Maßnahmen besteht nicht; die zuständigen Behörden sind befugt, im Einzelfall erforderliche Maßnahmen anzuordnen.
Die Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips (§ 20 GG) sind erfüllt, da das Gesetz mit ausreichender Bestimmtheit vorgibt, was eine angemessene Haltung umfasst, und es keine Pflicht gibt, alle Einzelheiten der Haltung per Gesetz zu regeln. Die einschlägigen tiermedizinischen und verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnisse ermöglichen eine ausreichende Konkretisierung der Anforderungen.
Die Fragen der Beschwerde zu Umfang und Gewichtung einzelner Haltungsbedingungen sowie zum Vergleich der Haltung mit dem natürlichen Verhalten der wilden Vorfahren sind nicht grundsätzlicher Natur, da die Beurteilung der Verhaltensgerechtigkeit fallbezogen und artabhängig erfolgt. Eine Haltung kann auch dann unangemessen sein, wenn dem Tier zwar keine Schmerzen zugefügt werden, aber seine Grundbedürfnisse eingeschränkt sind.

Der Kläger (Kl.) möchte klären, ob eine Einzelhaltung eines Pferdes ohne Kontakt zu Artgenossen nur dann als nicht artgerechte Haltung eingestuft werden kann, wenn nachweisbar ist, dass das einzelne Pferd dadurch tatsächlich beeinträchtigt wird. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat jedoch festgestellt, dass Einzelhaltung ohne Sicht-, Hör- und Geruchskontakt generell nicht den Anforderungen einer artgerechten Haltung entspricht, unabhängig davon, ob das konkrete Pferd Verhaltensauffälligkeiten zeigt. Diese Beurteilung basiert auf Leitlinien und wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Der Kläger argumentiert, dass das OVG keine ausreichenden Feststellungen zum Wohlbefinden seines Pferdes getroffen habe und verweist darauf, dass keine Verhaltensauffälligkeiten vorlägen. Das Gericht hält jedoch fest, dass die grundsätzliche Sozialbedürftigkeit von Pferden wissenschaftlich anerkannt ist und das Fehlen von sichtbaren Stressreaktionen nicht ausschließt, dass die Haltung nicht artgerecht ist.
Weitere Beschwerden des Klägers bezüglich Verfahrensfehlern, Beweisaufnahmen, Gehörsverletzungen und Beweislast wurden zurückgewiesen, da keine ausreichenden Begründungen oder Verfahrensverstöße nachgewiesen wurden. Das Gericht weist darauf hin, dass der Kläger teilweise vorzeitig die Verhandlung verlassen hat und somit auf Möglichkeiten verzichtet hat, sich Gehör zu verschaffen.

Entscheidung

Das Urteil bestätigt, dass die Anordnung der Tierschutzbehörde, das Pferd nicht alleine zu halten, rechtmäßig ist. Die Beschwerde wird zurückgewiesen und das Urteil wird rechtskräftig.

Die Einzelhaltung eines Pferdes kann auch ohne ausdrückliche Regelung dieser Haltungsform im Gesetz oder in einer Rechtsverordnung auf der Grundlage von §§ 16a I 1 iVm S. 2 Nr. 1 und 2 Nr. 1 TierSchG untersagt werden.