Urteil: Details

Strafrecht

Jagd

Hund

LG Bamberg

16.12.2024

11 NBs 2106 Js 14529/22

Sachverhalt

Am 18. Juli 2022 befand sich der Angeklagte in seiner Funktion als Jagdpächter mit seinem Pkw auf der Maininsel in Knetzgau, die größtenteils zu seinem Jagdrevier gehört. Dort bemerkte er einen unangeleinten Hund der Rasse Alaskan Malamute, der sich auf einer Wiese aufhielt, ohne Wild nachzustellen. Obwohl dem Angeklagten bewusst war, dass von dem Hund keine akute Gefahr ausging, schoss er mit einem kleinkalibrigen Jagdgewehr (.22 lfB) auf das Tier, um es zu töten. Dabei nahm er billigend in Kauf, dass der Schuss bei einem großen, schwereren Hund wie dem Malamute keine sofortige tödliche Wirkung entfalten und erhebliche Schmerzen verursachen würde.
Der erste Schuss verletzte das Tier schwer, ein zweiter Schuss war wegen klemmender Munition nicht möglich. Der Angeklagte verließ daraufhin den Ort, ohne sich weiter um den Zustand des Hundes zu kümmern. Die Halter des Hundes befanden sich zum Zeitpunkt des Schusses in unmittelbarer Nähe und erkannten kurz darauf die Schussverletzung. Eine alarmierte Tierärztin brachte das schwer verletzte Tier zur Notoperation, bei der es etwa eine Stunde nach dem Vorfall verstarb. Die Tierarztkosten in Höhe von 1.153,50 Euro trugen die Halter.
Rechtlich ist das Verhalten des Angeklagten unter anderem an § 17 TierSchG (Tierschutzgesetz) zu messen, wonach es verboten ist, einem Tier ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen oder Leiden zuzufügen. Ein solcher „vernünftiger Grund“ lag im vorliegenden Fall nicht vor, da keine akute Gefahr vom Hund ausging. Darüber hinaus ist der Einsatz einer Schusswaffe in einer Situation ohne unmittelbare Gefährdung des Wildes oder der Allgemeinheit rechtlich nicht gedeckt, insbesondere auch nicht durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Bundesjagdgesetz (BJagdG). Die Staatsanwaltschaft sah ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung gegeben.

Beurteilung

Der Angeklagte wurde wegen quälerischer Tiermisshandlung in Tateinheit mit dem Töten eines Wirbeltieres sowie mit Sachbeschädigung gemäß §§ 17 Nr. 1 und Nr. 2 b) TierSchG, § 303 Abs. 1, 303c, 52 StGB verurteilt. Er hatte vorsätzlich auf eine Hündin geschossen, die infolge der Schussverletzungen verstarb. Die Tötung erfolgte ohne einen gemäß § 17 Nr. 1 TierSchG erforderlichen „vernünftigen Grund“. Ein solcher liegt nur dann vor, wenn der Beweggrund triftig, einsichtig und von einem schutzwürdigen Interesse getragen ist und dieses im Einzelfall das Interesse des Tieres an Leben und Unversehrtheit überwiegt. Die Hündin war ein gesundes Haustier, stellte keine Gefahr dar, war nicht wildernd im jagdrechtlichen Sinne und befand sich in Sichtweite ihrer Halter. Ein berechtigtes Tötungsinteresse, insbesondere aus jagdrechtlichen Gründen nach § 23 BJagdG in Verbindung mit Art. 40 Abs. 1 und Art. 42 Abs. 1 Nr. 2 BayJagdG, war nicht gegeben.
Zusätzlich erfüllte der Angeklagte den Tatbestand des § 17 Nr. 2 b) TierSchG, da er dem Tier länger anhaltende erhebliche Schmerzen zufügte. Die Kammer stellte anhand glaubhafter Zeugenaussagen sowie tierärztlicher Gutachten fest, dass die angeschossene Hündin massive, mindestens mehrere Minuten andauernde Schmerzen erlitt. Die Verletzungen betrafen zentrale Organe wie Lunge, Leber und Zwerchfell. Schmerzreaktionen wie gekrümmte Körperhaltung, Unruhe, Kreistänzeln und Verkrampfungen wurden dokumentiert. Aufgrund seiner langjährigen jagdlichen Erfahrung war dem Angeklagten bewusst, dass sein Kleinkalibergewehr nicht geeignet war, ein so großes Tier wie die Hündin unverzüglich zu töten. Er nahm daher billigend in Kauf, dass der erste Schuss das Tier nicht sofort töten, sondern erheblich verletzen würde. Dass eine zweite Schussabgabe aufgrund eines Defekts nicht möglich war, entbindet ihn nicht von der Verantwortung, zumal ihm als erfahrener Jäger bekannt sein musste, dass technische oder tatsächliche Hinderungsgründe eine sofortige Nachschussabgabe verhindern können. Darüber hinaus unterließ der Angeklagte jegliche Versuche, den Zustand oder Verbleib des getroffenen Tieres aufzuklären, was ihm durch einfaches Nachfahren möglich gewesen wäre.
Auch der Tatbestand der Sachbeschädigung nach § 303 StGB ist erfüllt. Der Hund ist strafrechtlich als Sache anzusehen, und durch dessen tödliche Verletzung wurde das Eigentum der Halter beschädigt. Die strafrechtliche Bewertung erfolgt tateinheitlich neben dem Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, wobei keiner der Tatbestände im Verhältnis zum anderen zurücktritt. Ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung im Hinblick auf die Sachbeschädigung wurde durch die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Berufungsverfahrens konkludent bejaht.
Ein Erlaubnisirrtum im Sinne des § 17 StGB, wonach der Täter irrtümlich von einem rechtfertigenden Umstand ausgeht, wurde von der Kammer nicht angenommen. Die Einlassung des Angeklagten, er habe geglaubt, ein frei laufender Hund gelte grundsätzlich als wildernd, wurde als unglaubwürdig bewertet. Vielmehr geht die Kammer davon aus, dass die vom Angeklagten behauptete Hasenjagd erfunden wurde, um die Tat nachträglich zu rechtfertigen. Es ist davon auszugehen, dass dem Angeklagten bewusst war, dass er einen nicht wildernden, unangeleinten Hund in seinem Jagdrevier nicht töten durfte. Als langjähriger Jäger, der regelmäßig Fachzeitschriften liest und sich mit der Thematik freilaufender Hunde beschäftigt, hätte es ihm zudem ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen sein müssen, sich über die geltende Rechtslage – insbesondere die bereits 1996 erfolgte Gesetzesänderung im Bayerischen Jagdgesetz – zu informieren. Selbst wenn man zu seinen Gunsten einen Erlaubnisirrtum unterstellen wollte, wäre dieser als vermeidbar anzusehen. Eine Strafmilderung nach §§ 17, 49 Abs. 1 StGB kam daher nicht in Betracht.

Entscheidung

Im Rahmen der Strafzumessung orientierte sich das Gericht am Strafrahmen des § 17 TierSchG, der für Verstöße gegen das Tierschutzgesetz eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht, in Verbindung mit § 52 Abs. 2 StGB. Zu Gunsten des Angeklagten wurde berücksichtigt, dass er die Tat bereits in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung im Wesentlichen eingeräumt hatte. Weitere mildernde Umstände waren das Fehlen eines ausdrücklichen Strafverfolgungsinteresses seitens der geschädigten Hundeeigentümer, die Entschuldigung des Angeklagten, der Zeitablauf von mehr als zwei Jahren seit der Tat sowie die persönliche Belastung durch mediale Berichterstattung und öffentliche Anfeindungen in sozialen Netzwerken.
Zulasten des Angeklagten fiel ins Gewicht, dass er bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und die frühere Vorahndung in einem ähnlichen Zusammenhang stand, da er erneut als Jäger im Rahmen seiner Revierausübung grenzüberschreitend gehandelt hatte. Darüber hinaus wurde ihm angelastet, dass er mehrere unterschiedliche Straftatbestände in Tateinheit verwirklichte, darunter Verstöße gegen das TierSchG sowie Sachbeschädigung (§ 303 StGB). Der entstandene Sachschaden, bestehend aus dem materiellen Wert des Hundes und nicht unerheblichen Tierarztkosten, sowie das erhebliche Affektionsinteresse der Eigentümer, die durch den Tod ihres als Familienmitglied angesehenen Tieres emotional stark belastet wurden, wirkten sich ebenfalls strafschärfend aus.
Nach umfassender Abwägung sämtlicher Strafzumessungserwägungen gemäß § 46 Abs. 1 und 2 StGB hielt das Gericht eine Freiheitsstrafe von acht Monaten für tat- und schuldangemessen und erforderlich, um dem Unrecht schuldgerechten Ausdruck zu verleihen. Die Strafe wurde jedoch gemäß § 56 Abs. 1, 3 StGB zur Bewährung ausgesetzt, da die Legalprognose für den Angeklagten als günstig beurteilt wurde. Es bestand die Erwartung, dass sich der Angeklagte künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs straffrei verhalten werde. Entscheidungsrelevant war dabei insbesondere, dass es sich um die erste gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe handelte, was eine erhebliche Warnfunktion entfalte. Der Angeklagte ist sozial und wirtschaftlich gefestigt, zudem wurde sein Jagdschein durch die zuständige Behörde nicht verlängert, was eine Wiederholung ähnlicher Taten ausschließt.
Auch aus spezial- und generalpräventiver Sicht war eine Vollstreckung der Strafe nicht geboten. Das Gericht sah das Vertrauen der rechtschaffenen Bevölkerung in die Rechtsordnung nicht gefährdet, da es sich um eine erstmalige Bewährungsstrafe handelte, die unter Abwägung aller Umstände nachvollziehbar erscheint und nicht als Ausdruck von Nachgiebigkeit gegenüber dem Unrecht bewertet werden müsse.
Von einer Einziehung der bei der Tat verwendeten Waffe wurde gemäß § 74 Abs. 3 StGB abgesehen, da der Angeklagte glaubhaft angab, dass das halbautomatische Jagdgewehr der Marke Voere im Eigentum seiner ebenfalls jagdberechtigten Ehefrau stand.