Urteil: Details

Strafrecht

Schlachtung

Rind, Schwein, Pferd

LG Kaiserslautern

31.01.2025

3 NBs 6043 Js 20048/21

Sachverhalt

Die Angeklagten H Junior, Z1 und M1 sowie der Betroffene H Senior waren im Betrieb eines Schlachthofs tätig. H Junior, Metzgermeister mit Sachkundenachweis, schlachtete zwischen dem 20.09.2021 und 18.10.2021 insgesamt 141 Schweine mittels Elektrobetäubung. Dabei begann er die Entblutung in mehreren Fällen erst 25–40 Sekunden nach Ende der Betäubung und setzte ein defektes Elektrobetäubungsgerät mehrfach bei lebenden Tieren ein, wodurch diese erhebliche Schmerzen erlitten.
Z1, Fleischer mit Sachkundenachweis, schlachtete 18 Rinder und 8 Pferde mittels Bolzenschuss und setzte teilweise unzureichende Entblutungsschnitte oder Rückenmarkzerstörer ein, wodurch die Tiere erhebliche Schmerzen erlitten. M1, Metzger ohne Sachkundenachweis, unterstützte Z1 beim Treiben der Tiere und beim unsachgemäßen Betäuben, wodurch er sich der Beihilfe schuldig machte.
H Senior war Geschäftsführer des Schlachthofs, trat jedoch strafrechtlich nicht in Erscheinung. Die Nebenbeteiligte ist das Unternehmen, das den Schlachthof betrieb. Alle Angeklagten waren bislang strafrechtlich unauffällig.

Beurteilung

Die Angeklagten wurden für diverse Verstöße gegen das Tierschutzrecht schuldig befunden. H Junior handelte ordnungswidrig nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 b) TierSchG i.V.m. § 16 Abs. 2 Nr. 5 TierSchlV, indem er bei den Taten 1–11 die zulässige Höchstdauer von 20 Sekunden zwischen Betäubung und Entblutung überschritt (§ 12 Abs. 6 Satz 1 TierSchlV, Anlage 2 Spalte 2). Zudem beging H Junior mehrfach Straftaten nach § 17 Nr. 2 a) und b) TierSchG, indem er bei Schweinen eine defekte Elektrobetäubungszange wiederholt einsetzte und den Tieren erhebliche Schmerzen zufügte. Hierbei liegt die Strafbarkeit sowohl in der Rohheit (§ 17 Nr. 2 a) TierSchG) als auch in der fortdauernden Schmerzempfindung (§ 17 Nr. 2 b) TierSchG).
Z1 verfehlte bei mehreren Rindern und Pferden die Betäubung, führte mangelhafte Bolzenschüsse und Entblutungsschnitte aus und setzte mehrfach ein Elektroschockgerät ein. Damit erfüllte er Straftatbestände nach § 17 Nr. 2 a) und b) TierSchG und beging eine Ordnungswidrigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 a) TierSchG i.V.m. §§ 16 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 TierSchlV, unter Berücksichtigung der Vorgaben aus Anhang III Nr. 1.8. und 1.9. der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009.
M1 leistete Beihilfe zu den Straftaten von Z1 nach § 27 Abs. 2 StGB i.V.m. § 17 TierSchG und beging ebenfalls Ordnungswidrigkeiten nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 a) TierSchG i.V.m. §§ 16 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 TierSchlV.
Die Kammer fasste zeitlich und situativ zusammenhängende Einzelhandlungen jeweils zu Tateinheiten zusammen (vgl. BGH NStZ 2020, 345). Straftaten nach § 17 Nr. 1 TierSchG wurden nicht festgestellt, da das Töten zur Nahrungsgewinnung grundsätzlich einen vernünftigen Grund darstellt. Ein Verstoß gegen Vorschriften zum „Wie“ der Tötung begründet keine Strafbarkeit, nur die Rohheit oder die Verursachung erheblicher Schmerzen führt zu Strafbarkeit nach § 17 Nr. 2 TierSchG. Eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Wahl milderer Mittel ist nicht erforderlich.
Die Verurteilung stützte sich damit auf die Kombination aus fehlender Kontrolle der Betäubung, wiederholtem Fehlgebrauch von Betäubungsgeräten, Rohheit und erheblichem Tierleid, während das legitime Ziel der Nahrungsgewinnung als vernünftiger Grund i.S.d. § 17 Nr. 1 TierSchG anerkannt wurde.

Entscheidung

Verdeckte Videoaufnahmen von Tierschutzorganisationen auf Schlachthöfen sind im Strafverfahren nach § 261 StPO verwertbar und unterliegen keinem Beweisverwertungsverbot, selbst wenn der Informant gegen die DSGVO verstößt, da die Abwägung bei ermittelnden Behörden hier nicht greift. Für die Strafbarkeit nach § 17 Nr. 2 TierSchG ist keine hohe Schmerzintensität erforderlich; bereits ein Wert von 3 auf einer Skala von 0 bis 10 reicht aus, wenn die Beeinträchtigung über ein bloßes Unbehagen hinausgeht und eine nicht unerhebliche Zeit andauert. Mehrere Misshandlungen an demselben Tier, die zeitlich eng zusammenfallen und demselben Zweck dienen, bilden eine natürliche Handlungseinheit, sodass das gesamte Handeln als einheitliches Tun gewertet wird. Der bei der Schlachtung zur Nahrungsgewinnung grundsätzlich gegebene „vernünftige Grund“ gemäß § 17 Nr. 1 TierSchG wird durch Verstöße gegen Tierschutzvorgaben nicht automatisch ausgeschlossen; entscheidend ist die Abwägung zwischen schutzwürdigen menschlichen Interessen, wie der Nahrungsgewinnung, und dem Interesse am Schutz der Tiere. Schließlich tritt eine Strafbarkeit wegen des Einsatzes eines Elektrotreibers nach § 17 Nr. 2 TierSchG nur dann ein, wenn die Wiederholungen oder die Dauer des Einsatzes offensichtlich überwiegend dazu dienen, dem Tier Schmerzen zuzufügen, während der normale Einsatz solcher Geräte grundsätzlich als Ordnungswidrigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 a TierSchG i.V.m. §§ 16 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 TierSchlV geregelt ist.

Die Berufung des Amtsgerichtsurteils vom 18.07.2024 wurde teilweise abgeändert. H. Junior wurde wegen vier Vergehen nach § 17 Nr. 2 a) TierSchG in Tateinheit mit § 17 Nr. 2 b) TierSchG sowie wegen 11 vorsätzlicher Ordnungswidrigkeiten nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 b) TierSchG i.V.m. § 16 Abs. 2 Nr. 5 TierSchlV verurteilt. Er erhält eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird, sowie Geldbußen für die einzelnen Taten zwischen 50 € und 200 €. Zudem ist ihm für fünf Jahre ein Berufsverbot für Tätigkeiten, die einen Sachkundenachweis nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 erfordern, auferlegt.
Z1 wurde wegen acht Vergehen nach § 17 Nr. 2 a) TierSchG (davon sechs in Tateinheit mit § 17 Nr. 2 b) TierSchG) sowie einer Ordnungswidrigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 a) TierSchG i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 1 TierSchlV verurteilt. Er erhält eine Gesamtfreiheitsstrafe von eineinhalb Jahren, ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt, sowie eine Geldbuße von 200 €. Einige Taten wurden freigesprochen, und ihm wurde ein lebenslanges Berufsverbot für Tätigkeiten mit Sachkundenachweis nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 erteilt.
M1 wurde der Beihilfe zu zwei tateinheitlichen Vergehen nach § 17 Nr. 2 a) und § 17 Nr. 2 b) TierSchG sowie einer Ordnungswidrigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 a) TierSchG i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 1 TierSchlV für schuldig befunden. Er wurde zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 € sowie einer zusätzlichen Geldbuße von 150 € verurteilt. Einige Anklagepunkte wurden gegen ihn freigesprochen.
H. Senior und die XXX Pferdemetzgerei wurden freigesprochen. Die weitergehenden Berufungen der Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft wurden abgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Angeklagten größtenteils selbst, teilweise trägt die Staatskasse 80 % der notwendigen Auslagen; die notwendigen Auslagen von H. Senior und der XXX Pferdemetzgerei trägt die Staatskasse vollständig.