Urteil: Details

Öffentliches Recht

Tiertransporte

Rinder

OVG Lüneburg

15.12.2023

11 ME 506/23

Sachverhalt

Die Antragstellerin, ein Rinderzuchtunternehmen, wollte 105 tragende Färsen nach Marokko zur Milchproduktion transportieren. Das zuständige Ministerium erließ kurz zuvor ein Verbot solcher Transporte nach bestimmten Drittstaaten nach § 16a Abs. 1 TierSchG wegen der angeblichen Gefahr tierschutzwidriger Schlachtungen. Der Antragsgegner setzte dieses Verbot durch, ordnete die sofortige Vollziehung an und untersagte den Transport. Die Antragstellerin klagte und beantragte Eilrechtsschutz. Das Verwaltungsgericht stellte die aufschiebende Wirkung der Klage wieder her und verpflichtete den Antragsgegner, den Transport der Tiere abzufertigen und die Fahrtenbücher zu prüfen und abzuzeichnen. Begründet wurde dies damit, dass keine konkrete Gefahr einer tierschutzwidrigen Schlachtung bestand, die Tiere für die Milchproduktion bestimmt waren und die Antragstellerin weder als Verhaltensstörerin noch als Zweckveranlasserin anzusehen ist.

Beurteilung

Die Antragstellerin, ein Unternehmen aus der Rinderzucht und -vermarktung, beabsichtigte den Transport von ursprünglich 500, später 105 tragenden Färsen nach Marokko zu einer marokkanischen Molkereigenossenschaft. Der Transport wurde am 16. November 2023 beim Antragsgegner angezeigt, wobei Quarantäne- und Verladedaten angegeben wurden. Am 22. November 2023 ergänzte das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz seinen Runderlass zu „langen Beförderungen von Rindern in bestimmte Drittstaaten“ dahingehend, dass Transporte in diese Staaten nach § 16a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 TierSchG untersagt seien, da nach Einschätzung des ML eine konkrete Gefahr tierschutzwidriger Schlachtungen, insbesondere betäubungsloser Schächtung, bestehe. Der Antragsgegner untersagte daraufhin am 29. November 2023 den Transport und ordnete die sofortige Vollziehung an. Die Antragstellerin erhob am 4. Dezember 2023 Klage vor dem Verwaltungsgericht und beantragte Eilrechtsschutz. Das Verwaltungsgericht stellte die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wieder her und verpflichtete den Antragsgegner, den Transport von 105 Färsen am 18. und 19. Dezember 2023 abzufertigen, die Fahrtenbücher abzustempeln und durch einen Amtsveterinär abzeichnen zu lassen. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass nach § 16a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG für den Erlass eines behördlichen Verbots eine konkrete Gefahr erforderlich ist, die im vorliegenden Fall nicht hinreichend dargelegt wurde, da die Tiere zur Milchproduktion und nicht zur Schlachtung bestimmt seien und eine mögliche spätere Schlachtung der Kälber nicht zeitlich und kausal hinreichend mit dem Transport der Antragstellerin verbunden sei. Außerdem könne die Antragstellerin weder als Verhaltensstörerin noch als Zweckveranlasserin nach § 16a Abs. 1 TierSchG in Anspruch genommen werden, da sie keine unmittelbare Gefahr verursache. Schließlich erfüllten die Fahrtenbücher der Antragstellerin die Anforderungen von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) und c) VO (EG) Nr. 1/2005, sodass die Abfertigung der Transporte rechtmäßig war. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen diese Entscheidung hatte keinen Erfolg.

Entscheidung

Eine Behörde darf nach § 16a Abs. 1 TierSchG nur dann ein Verbot erlassen, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit ein tierschutzwidriger Vorgang zu erwarten ist. Eine rein theoretische oder abstrakte Gefahr reicht nicht aus. Im vorliegenden Fall bestand diese konkrete Gefahr nicht, da die Färsen glaubhaft zum Zweck der Milchproduktion nach Marokko exportiert werden sollten. Ein Unternehmen, das Tiere legal zu diesem Zweck transportiert, kann nicht als „Verhaltensstörer“ verantwortlich gemacht werden, selbst wenn in dem Bestimmungsland tierschutzwidrige Schlachtungen üblich sind. Ein Transport würde nur dann als erster Schritt zu einer tierschutzwidrigen Tötung gelten, wenn unmittelbar danach eine Schlachtung geplant oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre. Außerdem ist zweifelhaft, dass das Unternehmen als „Zweckveranlasser“ haftbar gemacht werden könnte, weil die Schlachtung eventuell vom Willen Dritter abhängt und das Bundesministerium nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 TierSchG die Möglichkeit hat, solche Transporte per Rechtsverordnung zu regeln, bisher aber davon keinen Gebrauch gemacht hat.