Urteil: Details

Öffentliches Recht

Nutztiere

Rinder

VG Koblenz

24.07.2023

3 K 39/23

Sachverhalt

Die Kläger betreiben seit 2017 eine Wagyu-Rinderhaltung im Nebenerwerb und möchten ein Rind auf der Weide mittels Kugelschuss schlachten. 2021 hatten sie bereits zwei Schlachtungen mit Genehmigung durchgeführt. Am 26. Juli 2022 beantragten sie erneut die Genehmigung für ein bestimmtes Rind, die der Beklagte am 1. September 2022 ablehnte. Begründet wurde dies damit, dass das Kugelschussverfahren nur in Ausnahmefällen für ganzjährig im Freien gehaltene Rinder zulässig sei (§ 12 Abs. 2 Tier-LMHV i.V.m. VO (EG) Nr. 853/2004, TierSchlV) und es Sicherheits- sowie Tierschutzrisiken berge. Der Bolzenschuss sei eine sichere Alternative, während der Kugelschuss immer das Risiko erheblicher Schmerzen und Leiden für das Tier berge.
Die Kläger legten Widerspruch ein und argumentierten, dass nach der aktuellen Rechtslage (§§ 12 Abs. 2 Tier-LMHV, Anhang III Abschnitt I Kapitel VIa VO (EG) Nr. 853/2004) bis zu drei Rinder im Herkunftsbetrieb geschlachtet werden dürfen und der Kugelschuss im Fall ihrer Freilandhaltung dem Tierwohl diene. Sie führten an, dass Experten das Kugelschussverfahren als stressärmer für das Tier bewerten und dass die Behörde keine konkreten Nachweise für die behaupteten Risiken vorgelegt habe. Außerdem beanspruchen sie einen Rechtsanspruch auf eine sogenannte Herdengenehmigung, sodass keine Einzelbegutachtung für jedes Tier erforderlich sei.
Der Beklagte verweist auf einen Erlass vom 15. Dezember 2022, wonach der Bolzenschuss grundsätzlich dem Kugelschuss vorzuziehen sei, und fordert die Vorlage eines tierärztlichen Nachweises, dass der Bolzenschuss tatsächlich nicht ohne erhebliche Risiken durchgeführt werden könne. Die Kläger haben diesen Nachweis bisher nicht erbracht.

Beurteilung

Das Gericht hat der Klage der Rinderzüchter stattgegeben. Sie forderten die Genehmigung zur Schlachtung eines Rindes mittels Kugelschuss auf der Weide. Die Klage ist zulässig als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO, da der Beklagte auf den Widerspruch der Kläger vom 19. September 2022 nicht fristgerecht entschieden hatte (§ 75 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Entscheidung sind die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 (Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs) sowie § 12 Abs. 3 i.V.m. Ziffer 2.1.2 der Anlage 1 der Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV) in Verbindung mit der EU-Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren beim Töten. Während die VO (EG) Nr. 853/2004 die allgemeinen Voraussetzungen für die Schlachtung im Herkunftsbetrieb regelt, legt die TierSchlV fest, dass der Kugelschuss bei ganzjährig im Freien gehaltenen Rindern nur mit behördlicher Einwilligung angewendet werden darf.
Das Gericht stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung erfüllt sind: Das Rind wird ganzjährig im Freien gehalten, und es gibt keine weiteren Einschränkungen in Ziffer 2.1.2 der Anlage 1 TierSchlV. Die Bedenken des Beklagten, dass der Kugelschuss für das Tier gefährlich sei, sind unbegründet. Studien und Leitfäden (z. B. Hessischer Leitfaden „Schlachtung im Herkunftsbetrieb“ und TVT-Merkblatt Nr. 136) zeigen, dass bei erfahrenen Schützen Fehlbetäubungen sehr selten auftreten. Außerdem verursacht der Kugelschuss weniger Stress und Schmerzen als der Bolzenschuss, weil das Rind nicht fixiert werden muss, wie es bei der Bolzenschuss-Betäubung der Fall wäre.
Die vorherige Fixierung des Rindes für Blutentnahmen stellt keinen Grund dar, den Kugelschuss abzulehnen, da die Belastung hier wesentlich geringer ist und das Tier sich erholen kann. Das Gericht betonte, dass die Entscheidung über die Genehmigung eine gebundene Verwaltungshandlung ist: Wenn die Voraussetzungen der TierSchlV erfüllt sind, darf die Behörde keinen Ermessensspielraum ausüben

Entscheidung

Das Kugelschussverfahren auf der Weide ist für ganzjährig im Freien gehaltene Rinder tierschutzgerecht und rechtlich zulässig. Der Beklagte muss die Einwilligung erteilen.