Während Hausschweine mit im Schnitt 6 bis 7 Monaten geschlachtet werden, können sie bis zu einem natürlichen Tod regelmäßig 10 – 15, teilweise bis zu 20 Jahre alt werden.
Je Zuchtläufer oder Mastschwein steht nach § 29 Abs. 2 TierSchNutztV in konventioneller Haltung eine Bodenfläche nach folgender Tabelle zur Verfügung:
Durchschnittsgewicht in Kilogramm |
Fläche in Quadratmetern |
über 30 bis 50 |
0,5 |
über 50 bis 110 |
0,75 |
über 110 |
1,0. |
Obwohl sich Schweine während der Domestikation stark verändert haben, entspricht ihr Verhaltensrepertoire immer noch weitgehend dem der Wildform, also dem von Wildschweinen.
Die natürliche Nahrungsaufnahme erfolgt im Wesentlichen dadurch, dass die Tiere mit dem Rüssel den Boden auf der Suche nach Fressbarem durchwühlen. Dabei fressen sie energiereiche u. strukturierte, rohfaserreiche Nahrung. Dies dauert täglich etwa 7 - 8 Stunden. Es gibt also ein starkes inneres Bedürfnis zum Erkunden; Wühlen, Nagen und Kauen zählen zu den Hauptaktivitäten. Schweine nehmen ihr Futter gleichzeitig auf und halten wenn möglich zur Vermeidung von Nahrungskonkurrenz eine Distanz von 2–4m voneinander ein.
In den meisten Haltungen bekommen die Schweine demgegenüber (fast) ausschließlich sehr homogenes, energiereiches Futter, entweder flüssig (als Brei oder Suppe) oder fest (als Mehl oder Pellets). Ein ausgewachsenes Schwein benötigt dabei für die Aufnahme von 1 kg Trockenfutter 3–4 min, für flüssiges oder breiiges Futter noch weniger. Bei in der Regel zweimal täglich stattfindender Fütterung verkürzt sich die Zeit für die Nahrungssuche und -aufnahme, die unter naturnahen Bedingungen etwa 7–8 Stunden in Anspruch nimmt, auf 10–20 min. Das Bedürfnis zum „Manipulieren“, insbesondere durch Beißen und Kauen dadurch unbefriedigt. Stattdessen werden Körperteile von Artgenossen und die Stalleinrichtung gebisssen (Schwanz- und Ohrenbeißen bzw. Stangenbeißen) oder es erfolgt Leerkauen. Auch versuchen die Tiere oft als Ausgleich, auf dem Betonboden im eigenen und fremden Kot zu wühlen. Außerdem ist eine gleichzeitige Futteraufnahme nicht möglich, wenn in Gruppenhaltung mit Breifutterautomaten rationiert gefüttert wird. Der dadurch hervorgerufene Zwang nacheinander zu fressen, kann im Wartebereich vor den Futterstationen zu aggressiven Handlungen führen, wie z.B. beißen.
Schweine ruhen in Gruppen und mit Körperkontakt, außer bei hohen Temperaturen. Sie bauen in der Natur Schlafnester, die von der gesamten Gruppe benutzt werden. Die Ruhezeiten betragen in naturnaher Haltung 11–15 Stunden nachts und bis zu drei Stunden am Tag; bei unstrukturierter Stallhaltung liegen Schweine demgegenüber 80–90 % eines Ganztags. Für ein angenehmes oder bequemes Liegen brauchen Schweine als Untergrund Einstreu in ausreichender Stärke, zumindest aber eine Liegematte, die so weich ist, dass sie sich den Körperkonturen eines liegenden Tieres anpasst, so dass Druckstellen oder Dekubitus ausgeschlossen werden können. Schweine vermeiden es, Kot und Harn in der Nähe des Liegebereichs abzusetzen und suchen Kotplätze auf, die 5–15 m von den Schlafnestern entfernt sind. Bei einstreuloser Gruppenhaltung und hohen Besatzdichten kann die arttypische Trennung von Kot- und Liegeplatz nicht stattfinden. Der Liegeplatz ist dann ständig verschmutzt und feucht. Hierdurch können die Tiere an Haut-, Klauen- und Lungenerkrankungen leiden.
Infolge des Spaltenbodens sind die Tiere einer ständigen Belastung durch Schadgase, insbesondere Ammoniak ausgesetzt sind, weil sie mit dem Rüssel direkt über dem eigenen u. fremden Kot liegen. U.a. deswegen leiden viele Schweine unter Husten und Lungenschäden. Bei einer Untersuchung von 4.322 Mastschweinelungen an verschiedenen süddeutschen Schlachthöfen konnten an 92,9 % der Lungen Veränderungen nachgewiesen werden; dabei zeigten 54,9 % der untersuchten Lungen mehr als 10 % pneumonisch verändertes Gewebe.
Auch brauchen Schweine in der Haltung Abkühlungsmöglichkeiten bei Temperaturen schon ab 18°C, zB in Form von Duschen oder Suhlen oder wenigstens kühlen Bodenflächen. In Deutschland sind Abkühlungsmöglichkeiten nicht vorgeschrieben. Zur Abkühlung wälzen sich die Tiere daher z.T. sogar in ihrem eigenen Harn.
Zum Sozialverhalten gehört bei Schweinen, dass sie in der Regel in Gruppen von zwei bis sechs Tieren und mit festen Sozialstrukturen leben. Im Kastenstand von Sauen scheidet Sozialverhalten aufgrund der Einzelhaltung vollständig aus. Auch in der Gruppenhaltung kann kein artgemäßes Sozialverhalten stattfinden, wenn dort die in § 28 Abs. 2 Nr. 2, § 29 Abs. 2 S. 1 und § 30 Abs. 2 S. 2 TierSchNutztV vorgesehenen hohen Besatzdichten herrschen und das Platzangebot dementsprechend gering ist; es fehlen dann die zum Aufbau und zur Erhaltung einer Rangordnung notwendigen Möglichkeiten zur Bildung von Untergruppen und zum Ausweichen und Sich-Zurückziehen.
Schweine sind intelligente und neugierige Tiere, die sich im Rahmen der Nahrungssuche, des Erkundungsverhaltens und der Feindvermeidung sowie zum Aufsuchen von Rückzugs- und Ruheplätzen während eines großen Teils des Tages im Schritt, aber auch laufend und rennend bis über 4–6 km fortbewegen. Der im Kastenstand fixierten Sau ist jede Art von Fortbewegung und Erkundungsverhalten unmöglich. Schweine in Gruppenhaltungen können bei der hohen Besatzdichte zwar einige Gehschritte vollziehen, aber kein Laufen, kein Rennen und keine Bewegungsspiele. Die Erkundung ist wegen der wenigen und monotonen Umweltreize, fehlender Strukturierung und fehlender Einstreu stark eingeschränkt. Werden Gegenstände wie Reifen, Holzstücke, Gummibälle oÄ als Ersatz für fehlende Einstreu in die Bucht gegeben, so nimmt das Erkundungsinteresse schnell ab. Als Folge dieser Situation kommt es zu Verhaltensstörungen wie Schwanz- und Ohrenbeißen. Weil es keinen Ausweich- und Rückzugsraum für die gebissenen Tiere gibt, kann dies bei den gebissenen Tieren zu schweren Verletzungen führen. Zur Vermeidung werden den Schweinen regelmäßig die Zähne abgeschliffen und die Schwänze abgeschnitten.
Unter naturnahen Bedingungen separiert sich die Sau etwa 1–4 Tage vor dem Werfen von ihrer Gruppe und sucht einen Platz für das Wurfnest. Dort scharrt sie eine flache Mulde und polstert diese anschließend mit Laub, Gras oÄ aus. Aufgrund hormoneller Steuerung versuchen dies auch Sauen in Haltung, was aufgrund der Umstände allerdings nicht möglich ist. Nach der Geburt eines Teils der Ferkel steht die Sau in naturnaher Haltung oftmals auf und nimmt naso-nasal-Kontakt zu ihren Ferkeln auf. Dann wechselt sie die Seitenlage, um denjenigen Ferkeln, die sich im anderen Horn der Gebärmutter befinden, die Geburt zu erleichtern. Infolge der Fixierung im Abferkelkastenstand ist ein solcher Lagewechsel nicht möglich. Dies führt zur Verlängerung des schmerzhaften Geburtsvorgangs und erhöht die Gefahr von Gebärmutterinfektionen.
Die Laktation dauert unter natürlichen Bedingungen 3–4 Monate. Hingegen geschieht das Absetzen in Haltungen üblicherweise 4–5 Wochen nach der Geburt, zum Teil auch früher, was für Ferkel und Sau stressreich ist und der Sau Schmerzen im Gesäuge verursachen kann, da gerade zu diesem Zeitpunkt der Peak ihrer Milchleistung erreicht ist.
(Quelle: Hirt/Maisack/Moritz, Kommentar zum TierSchG, Vorbemerkung zu §§ 21-30 TierSchNutztV, Rn. 1 ff.)
Verfassungsklage gegen Schweinehaltung
Das Land Berlin hält zentrale rechtliche Anforderungen an die Schweinehaltung in der deutschen Landwirtschaft für verfassungswidrig und hat im Januar 2019 einen Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Der Normenkontrollantrag wurde nach der Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erweitert.
Der Normenkontrollantrag vor dem Bundesverfassungsgericht richtet sich gegen Regelungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Berlin greift darin in mehreren Punkten geltende rechtliche Standards in der Schweinehaltung an. Dazu zählen das Platzangebot, der Bodenbelag, die Fütterung ohne Raufutter, die Grenzwerte für die Stalltemperatur und für Schadgase sowie die Möglichkeiten für artgerechtes Verhalten wie Wühlen und Nestbauen.
Nachdem im Februar 2021 die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung mit der Einschränkung der Haltung im Kastenstand geändert wurde, hat Berlin seine Klage auch auf die dort vereinbarten Übergangszeiten ausgeweitet. Danach ist die Kastenstandhaltung im Deckbereich für weitere acht Jahre möglich. Für den Abferkelbereich gibt es eine Übergangszeit von 15 Jahren.
(Quellen: https://www.berlin.de/sen/justv/presse/pressemitteilungen/2021/pressemitteilung.1128471.php, https://www.topagrar.com/schwein/news/berlin-erwartet-verfassungsgerichtsurteil-zur-schweinehaltung-2022-12691143.html)
Die Landestierschutzbeauftragte teilt die der Klage zugrunde liegende Rechtsauffassung und unterstützt die Klage des Landes Berlin.