Urteil: Details

Öffentliches Recht

Amtshaftung

Katzen, Hunde

VG Gießen

27.02.2012

4 K 2064/11.GI

Sachverhalt

Der Kläger ist ein eingetragener und als gemeinnützig anerkannter Tierschutzverein. Die überwiegende Mehrzahl der Tiere, die vom Kläger versorgt werden, werden von Bürgern aufgefunden und beim Kläger abgegeben. Im Jahr 2007 wurden im Gemeindegebiet der Beklagten 22 Katzen aufgefunden und beim Kläger abgegeben. Im Jahr 2008 wurden neun Katzen und drei Hunde im Gemeindegebiet der Beklagten aufgefunden und beim Kläger abgegeben. Für jedes in den Jahren 2007 und 2008 im Gemeindegebiet der Beklagten aufgefundene Tier wurde vom Kläger eine sogenannte „Fundtier-Anzeige“ erstellt und diese an das Ordnungsamt der Beklagten weitergeleitet. Eine Reaktion der Beklagten auf die Fundtier-Anzeigen erfolgte in der Regel nicht. Der Kläger fordert die Beklagte zum Ersatz seiner Aufwendungen für die in den Jahren 2007 und 2008 angezeigten „Fundtiere“ auf. Die Beklagte dagegen vertritt die Auffassung, vorliegend finde das Fundrecht keine Anwendung, da die aufgefundenen Tiere herrenlos seien. Bei aufgefundenen Tieren sei in der Regel davon auszugehen, dass diese von ihren Eigentümern ausgesetzt worden seien. Des Weiteren stünden dem Kläger, als ein eingetragener Verein, auch keine Ansprüche aus einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag analog §§ 677 ff. BGB zu. Nach der Rechtsprechung des BVerwG sei eine Privatperson nur ausnahmsweise berechtigt, anstelle und gegen den wirklichen oder mutmaßlichen Willen der jeweiligen zuständigen Behörde tätig zu werden; dies gelte auch dann, wenn die private Person sich um Belange des Tierschutzes kümmere.

Beurteilung

Die zivilrechtlichen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) finden auch im öffentlichen Recht entsprechende Anwendung, wenn die Erstattung von Aufwendungen für die Wahrnehmung von Aufgaben in Betracht kommt, die an sich zum Tätigkeitsbereich der öffentlichen Verwaltung gehören. Ein Aufwendungsersatzanspruch analog §§ 677, 683, 670 BGB setzt voraus, dass ein fremdes Geschäft geführt worden ist, das dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des öffentlich-rechtlichen Aufgabenträgers entspricht. Dies ist vorliegend der Fall. Der Kläger hat eine Aufgabe der Beklagten und damit im Sinne der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ein „fremdes Geschäft“ wahrgenommen. Die Beklagte ist als Gemeinde bzw. Fundbehörde verpflichtet, Fundsachen entgegenzunehmen und zu verwahren. Der Kläger hat eine Rechtspflicht der Beklagten erfüllt. Die Interpretation der Rechtslage durch das Gericht findet ihre Rechtfertigung in dem im Jahr 2002 eingefügten Art. 20a GG, der den Tierschutz zum Staatsziel erklärt. Adressat von Art. 20a GG ist der Staat als Ganzes, d.h. der Bund, die Länder und die Gemeinden. Nach den Angaben des Klägers handelte es sich bei den streitgegenständlichen Tieren im Wesentlichen um Hauskatzen, die krank, verletzt oder verunfallt aufgefunden wurden. Damit spricht durchaus eine Vermutung dafür, dass aufgrund des Zustandes der Tiere diese nicht mehr in der Lage waren, zu ihrem Halter zurückzufinden, mithin für ihren Besitzer verlorengegangen waren. Dadurch sind sie nicht automatisch herrenlos. Die vom Gericht favorisierte Auffassung, dass aufgefundene Tiere – außer in Fällen offensichtlicher Herrenlosigkeit – zunächst als Fundtiere im Sinne der §§ 965 ff. BGB zu qualifizieren sind, trägt der im Lichte des Art. 20a GG zu betrachtenden Aufgabe der Rechtsordnung Rechnung, dass der Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere zu gewährleisten ist (vgl. § 1 Satz 1 TierSchG). Denn als Folge wäre zunächst die jeweils als Fundbehörde zuständige Kommune gemäß § 966 Abs. 1 BGB verpflichtet, das Fundtier in einer Weise zu betreuen, die den Anforderungen des § 2 TierSchG genügt.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Die Beklagte wurde verurteilt, an den Kläger 6.115,- EU nebst Zinsen zu zahlen.