Urteil: Details

Öffentliches Recht

Tierschutz - Sonstiges

Pferde

BVerwG

12.01.2012

7 C 5.11

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb bis 2006 eine Pferdezucht. Auf ihrem Anwesen hielt sie 15 Pferde sowie ein Fohlen. Nachdem sie am 14. Februar 2006 zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe in Haft genommen worden war, stellte der R. e.V. im Auftrag des des Landratsamtes R. die Versorgung der Pferde sicher. Diese verblieben auf dem Hof der Klägerin. Die Kosten trug das beklagte Land. In der Folge forderte das Landratsamt die Klägerin erfolglos - unter Hinweis auf eine andernfalls notwendige Veräußerung - auf, die Versorgung der Pferde sicherzustellen. Eine Verfügung über die Veräußerung der Pferde blieb aus. Das Amt entschied sich für einen Verkauf im Wege der \"unmittelbaren Ausführung\". In einer E-Mail des Leiters des Rechts- und Ordnungsausschusses and den zuständigen Sachbearbeiter hieß es: \"Aus meiner Sicht sollte der einfache Weg beschritten werden (unmittelbare Ausführung). Wenn Sie eine Anordnung erlassen, könnte ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt werden und wir müssten nachbisheriger Praxis abwarten bis über diesen entschieden ist. Ich meine, dass wir solche Verzögerungen nicht hinnehmen können.\" Am 10. Juni 2006 veräußerte das Landratsamt sämtliche Pferde.

Vor dem VG begehrte die Klägerin Feststellung der Rechtswidrigkeit der Veräußerung und Rückgängigmachung der Folgen der Veräußerung, wobei die Klage auf Rückgängigmachung der Folgen vom VG abgetrennt und ausgesetzt wurde. Der Feststellungsklage hat das VG mit Urteil vom 10.12.2008 stattgegeben. Die Veräußerung hätte i.R.d. § 16a S. 2 Nr. 2 TierSchG einen Verwaltungsakt vorausgesetzt, woran es hier fehle. Die Voraussetzungen einer unmittelbaren Ausführung gem. § 8 PolG BW analog hätten nicht vorgelegen.

Auf Berufung des Beklagten hat der VGH die Klage mit Urteil vom 20.04.2010 als unzulässig abgewiesen. Es fehle an einem berechtigten Feststellungsinteresse i.S.d. § 43 VwGO.

Mit Beschluss vom 14.02.2011 hat das BVerwG die Revision zugelassen, durch die die Klägerin Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückweisung der Berufung des Beklagten begehrt. Die Veräußerung ohne vorausgehenden Verwaltungsakt sei rechtswidrig.
Der Beklagte erstrebt mit seiner Revision die Abweisung der Klage als unbegründet. Die Veräußerung sei rechtmäßig gewesen. § 16a S. 2 Nr. 2 TierSchG ermächtige zum schutz des Lebens und der Gesundheit der Tiere zum Handeln im Wege der unmittelbaren Ausführung.

Beurteilung

Die Zurückweisung der Feststellungsklage durch den VGH geschah unter Verletzung von Bundesrecht. Das VG hatte die Feststellungsklage von der Leistungsklage abgetrennt. Angesichts dessen durfte die Feststellungsklage nicht mit der Begründung als unzulässig abgewiesen werden, es fehle an einem Feststellungsinteresse, weil die Klägerin ihr Begehren durch die (abgetrennte) Leistungsklage verfolgen könne. Die Feststellungsklage ist vielmehr als Zwischenfeststellungsklage gem. § 173 VwGO i.Vm. § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Deren Voraussetzung ist, dass ein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten streitig ist, und dass von der Feststellung dieses Rechtsverhältnisses die Entscheidung in der Hauptsache abhängt dabei ist unerheblich, dass die Hauptklage erst im Laufe des Verfahrens \"nachgeschoben\" wird. Über den Feststellungsantrag kann durch Teilurteil vor endgültiger Klärung des Haupturteils entschieden werden. Auch das allgemeine Rechtsschutzinteresse für die Klage liegt vor.

In materieller Hinsicht war die Beklagte nicht berechtigt, die Pferde der Klägerin - wie geschehen - ohne vorherigen Erlass eines entsprechenden Grundverwaltungsakts zu veräußern. Zwar lagen die materiellen Voraussetzungen für eine Veräußerung der Tiere vor. Die Behörde kann gem. § 16 a S. 2 Nr. 2 TierSchG ein Tier, das nicht den Anforderungen des § 2 TierSchG gehalten wird, dem Halter fortnehmen und, wenn eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich ist, das Tier veräußern. Ist jemand dauerhaft nicht in der Lage, seine Tiere wegen Abwesenheit zu versorgen, so ist auch die EInholung eines Gutachtens entbehrlich.
Die Veräußerung der Tiere ist aber rechtswidrig, weil deren Fortnahme und Veräußerung nicht durch einen Verwaltungsakt gegenüber der Halterin angeordnet war. § 16a S. 2 Nr. 2 TierSchG ermächtigt grundsätzlich nur zum Erlass einer Verfügung, die nach Landesrecht zu vollstrecken ist. Daran fehlt es hier, weshalb die Fortnahme und die Veräußerung rechtswidrig waren. Hierfür spricht bereits der systematische Zusammenhang mit § 16a S. 1, den § 16a S. 2 TierSchG für bestimmte Fallgruppen konkretisiert. Der Begriff der Anordnung deckt sich nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers regelmäßig mit dem der Regelung gem. § 35 Abs. 1 S. 1 VwVfG. Die Gleichsetzung ergibt sich zudem zwingend aus § 18 Abs. 1 Nr. 2 TierSchG, da nur Verwaltungsakte vollziehbar sind. Auch die Entstehungsgeschichte, insbesondere die Parallelität zu § 69 AMG, der anerkanntermaßen zum Erlass von Verwaltungsakten ermächtigt, spricht für dieses Verständnis. Zudem hätte der Bundesgesetzgeber kenntlich machen müssen, wenn er in das System der Vollstreckung nach Landesrecht hätte eingreifen wollen. Dass Behörden grundsätzlich nur in Vollziehung eines Verwaltungsakts Zwang anwenden dürfen, folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie aus dem Recht auf effektiven Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG. Der Verwaltungsakt konkretisiert die abstrakte Verpflichtung des Gesetzes für den Einzelfall und geht einer Vollstreckung voraus. Er ist eine materiell- und verfahrensrechtliche Grundlage für die Zwangsanwendung. Dieses gestufte Verfahren belastet den Adressaten weniger als eine unmittelbare Zwangsanwendung. Sie nimmt ihm die Möglichkeit, den Vollstreckungszwang abzuwehren. Vor die Tat setzt der Rechtsstaat das Wort. Der unmittelbare Zwang ist auf Fälle begrenzt, in denen der Zweck der Maßnahme nicht durch den Erlass eines Verwaltungsakts erreicht werden kann. Der Suspensiveffekt der Klage und die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes im Falle der (gesondert zu begründenden) sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts sind Ausdruck eines effektiven Rechtsschutzes, der sonst nicht gewährleistet wäre.
Der Behörde wäre es vorliegend auch möglich gewesen durch (sofort vollziehbaren) Verwaltungsakt zu handeln.

Die Voraussetzungen der unmittelbaren Ausführung nach § 8 PolG BW lagen nicht vor.

Die Rechtswidrigkeit der Grundverfügung führt auch zur Rechtswidrigkeit der Veräußerung.

Für den Beklagten gilt, dass auch sein Revision zulässig ist, weil er durch das klageabweisende Prozessurteil des VGH beschwert ist, da dieses nicht in gleichem Maße in Rechtskraft erwächst wie ein Sachurteil. Seine Revision ist jedoch - wie oben dargelegt - unbegründet.

Entscheidung

Der Revisionsantrag der Klägerin hat Erfolg.