Urteil: Details

Öffentliches Recht

Tierschutz - Sonstiges

Schildkröte

Verwaltungsgericht des Saarlandes

24.04.2013

5 K 593/12

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt eine Kleintierklinik in A-Stadt und verlangt von der beklagten Gemeinde den Ersatz von Aufwendungen in Höhe von 77,22 € für die tierärztliche Untersuchung einer verletzten Schildkröte sowie deren anschließende Euthanasierung. An einem Samstag, den 21.05.2011 wurde von einer Verkehrsteilnehmerin eine verletzte Schildkröte gefunden und in die Kleintierklinik der Klägerin gebracht. Dort wurde von der Finderin ein Formular für Fundtiere ausgefüllt. DIe Finderin hat die Beklagte über das Auffinden des Tieres informiert. Die Klägerin hat die Beklagte zur Zahlung der Kosten aufgefordert. DIe Beklagte erwiderte, sie sei nicht zum Auslgiech der Rechnung verpdlichtet. Es handele sich vorliegend nicht um ein Fundtier sondern ein herrenloses Tier, weshalb eine Kostenerstattungspflicht nicht bestehe. Mit der Beendigung der Gewohnheit zur Rückkehr eines Haustieres, ende die Besitzbeziehung zum Tierhalter. Das Tier sei dann herrenlos. Unter Umständen sei das Tier auch ausgesetzt worden. Eine Verlustanzeige sei nicht eingegangen.

Die Klägerin trägt vor, das die Schildkröte nicht herrenlos gewesen sei, sondern kurzfristig dem Tierhalter entlaufen. Dafür spreche der Fundort innerhalb der geschlossenen Ortschaft. Solche Tiere würden häufig an warmen Tagen draußen gehalten und entlaufen. Würden solche Tiere ausgesetzt, geschehe dies zumeist in Wald- und Naturschutzgebieten. Auch der Umstand, dass diese Schildkrötenart in Mitteleuropa nicht heimisch sei, spreche für ein Fundtier. Bestünden maßgebliche Anhaltspunkte dafür, dass ein Tier nicht herrenlos sei, müsse nach allgemeinen Grundsätzen des Polizei- und Ordnungsrechts zur Anscheinsgefahr von einer Fundsache ausgegenagen werden, sodass die Zuständigkeit der Fundbehörde eröffnet sei.

Die Beklagte trägt vor, es fehle eine Rechtsgrundlage für das Zahlungsbegehren. Ein Vertrag bestehe unstreitig nicht. Ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag scheide aus, weil die Einschläferung nicht dem Willen der Beklagten entsprochen habe und mit ihrem Pflichtenkreis nicht in Zusammenhang stehe. Es werde bestritten, dass es sich um ein Fundtier handele. Auch hätte die Einschläferung nicht dem vermeintlichen Besitzerhaltungsinteresse des Verlierers entsprochen. Das Vorgehen der Klägerin berge große Missbrauchsgefahren. Das in gewisser Weise verständliche Anliegen der Klägerin, verletzten Tieren schnell zu helfen, könne nicht über das Fundrecht und die Gefahrenabwehr gelöst werden, sondern bedürfe einer konkreten tierschutzrechtlichen Regelung, die vorliegend nicht existiere.

Beurteilung

Der Klägerin steht nach den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag gegen die Beklagte ein Ersatzanspruch in Höhe von 77,22 € in entsprechender Anwendung der §§ 683, 677, 679 und 670 BGB zu. Diese Vorschriften finden Anwendung, wo es um die Erstattung von Aufwendungen für Aufgaben geht, die an sich zum Tätigkeitsbereich der öffentlichen Verwaltung gehört.

Voraussetzung des Anspruches ist, dass jemand ein fremdes Geschäft tätigt und dessen Übernahme dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Ein entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn kann gem. §§ 683 S. 2, 679 BGB unbeachtlich sein, wenn die Erfüllung des Geschäfts im öffentlichen Interesse liegt. Dies ist vorliegend der Fall.

Die Klägerin hat mit der Untersuchung und Einschläferung der Schildkröte ein Geschäft für die Beklagte erledigt. Die Beklagte ist als Fundbehörde gem. § 967 BGB für die Entgegennahme und Verwahrung von Fundsachen zuständig. Vorliegend ist nicht eindeutig zu klären, ob es sich um ein Fundtier oder ein herrenloses Tier handelt. Bestehen maßgebliche Anhaltspunkte dafür, dass ein aufgefundenes Tier nicht herrenlos ist, kann dies aber nicht mit Sicherheit festgestellt werden, so ist nach Auffassung des Gerichts aus Gründen des Tierschutzes davon auszugehen, dass es sich um ein Fundtier handelt. Diese Interpretation der Rechtslage findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 20 a GG, der den Tierschutz zum Staatsziel erklärt. Vor diesem verfassugnsrechtlichen Hintergrund sind die Wertungen des Tierschutzgesetztes - insbesondere die Verbote in § 1 S. 2, § 3 Nr. 3 TierSchG - im Rahmen der rechtlichen Ausgestaltung des Fundtierbegriffs zu beachten. Eine Auslegung und Verwaltungspraxis, die entgegen § 3 Nr. 3 TierSchG davon ausgeht, dass aufgefundene Tiere in aller Regel ausgesetzt wurden und damit herrenlos sind, steht nicht im Einklang mit den normierten tierschutzrechtlichen Zielen. Der Finder ist nach § 966 Abs. 1 BGB zur Verwahrung der Sache verpflichtet. Er kann die Sache aber nach § 967 BGB an die zuständige Behörde abgeben. Zuständige Behörde ist die Beklagte. Zwar wurde das Tier bei der Klägerin abgegeben und nicht bei der Fundbehörde, doch konnte nur eine sofortige Behandlung verhindern, dass das Tier weiter entgegen § 1 TierSchG leiden musste.

DIe Klägerin hat somit ein Geschäft der Beklagten wahrgenommen. Der entgegenstehende Wille der Beklagten kann gem. § 683 S. 2 BGB unbeachtlich sein, wenn die Erfüllung der Aufgabe im öffentlichen Interesse liegt. Zwar muss ein der Behörde zustehender Handlungsspielraum gewahrt bleiben, doch ist deren Ermessen vorliegend nicht beeinträchtigt, da zur Durchführung der Behandlung und Euthanasie der Schildkröte auch die Beklagte verpflichtet gewesen wäre und jede andere Entscheidung aus tierschutzrechtlichen Gründen ermessensfehlerhaft gewesen wäre.

Gem. §§ 683, 670 BGB sind der Klägerin die Kosten in voller Höhe zu ersetzen. Der geltend gemachte Zinsanspruch besteht nicht, weil VErzugszinsen aus öffentlichen-rechtlichen Ansprüchen grundsätzlich nur kraft ausdrücklicher geseztlicher Regelung gewährt werden und eine solche nicht existiert. Ab Rechtshängigkeit ist die Geldschuld gem. § 291 S. 1 BGB zu verzinsen.

Entscheidung

Die Klage ist zulässig und begründet.