Urteil: Details

Öffentliches Recht

Tiertransporte

Hund

EuGH

03.12.2015

C-301/14

Sachverhalt

Ein eingetragener, nach dem nationalen Steuerrecht als gemeinnützig anerkannter Verein, verfolgt den Zweck, den Tierschutz zu fördern und aktiven Tierschutz zu leisten. Er bietet über seine Website u.a. an, herrenlose Hunde aus Tierschutzeinrichtungen in Ungarn zu vermitteln. Wenn eine Person einen Hund aufnehmen möchte, schließt der Verein mit ihr einen \"Schutzvertrag\" darin verpflichtet sich die Person, den Hund artgerecht zu halten und einen Betrag zu zahlen, der sich in der Regel auf 270 € beläuft. Nach Vertragsschluss werden die Hunde durch den Verein nach Deutschland transportiert und dort den Personen übergeben. Eine Eigentumsübertragung findet nicht statt. Für den Fall der Verletzung des \"Schutzvertrags\" hat der Verein ein Rücktrittsrecht.
Am 29. Dezember 2009 transportierte der Verein 39 Hunde von Ungarn nach Deutschland. Da Zweifel am Gesundheits- und Impfstatus eines der transportierten Hunde bestanden, wies das Ministerium die örtlich zuständigen Veterinärämter an, alle Tiere dieses Transports zu überprüfen. Das Ministerium vertrat die Auffassung, dass sich der Verein nicht auf die in der Verordnung Nr. 998/2003 vorgesehenen Veterinärbedingungen für die Verbringung von Heimtieren zu anderen als Handelszwecken berufen könne, da es sich bei dem Transport und der Vermittlung von Tieren durch den Verein um eine wirtschaftliche Tätigkeit handele. Folglich seien die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1/2005 anzuwenden, sodass der Verein die in der nationalen Regelung über die Tiergesundheit und insbesondere § 4 BmTierSSchV vorgesehenen Anzeige- und Registrierungspflichten zu beachten habe.
Die dagegen erhobene Klage wurde vom VG abgewiesen. Das OVG wies die Berufung zurück. Daraufhin legte der Verein Revision beim BVerwG ein. Dieses legte die Frage gem. Art. 267 AEUV dem EuG mit folgenden Auslegungsfragen vor:
1. Ist es i.S.v. Art. 1 Abs. 5 der VO Nr. 1/2005 ein Transport von Tieren, der nicht in Verbindung mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit durchgeführt wird, wenn dieser Transport von einem als gemeinnützig anerkannten Tierschutzverein durchgeführt wird und dazu dient, herrenlose Tiere an Dritte gegen ein Entgelt zu vermitteln, das

a. hinter den Aufwendungen des Vereins für das Tier, den Transport und die Vermittlung zurückbleibt oder diese gerade deckt
b. über diese Aufwendungen hinausgeht, der Gewinn aber dazu dient, ungedeckt geblieben Aufwendungen für die Vermittlung anderer herrenloser Tiere, Aufwendungen für herrenlose Tiere oder andere Tierschutzprojekte zu finanzieren?

2. Liegt ein innergemeinschaftlichen Handel betreibendes Unternehmen i.S.v. Art. 12 der RL 90/425 vor, wenn ein als gemeinnützig anerkannter Tierschutzverein herrenlose Hunde nach Deutschland verbringt und an Dritte gegen ein Entgelt vermittelt, das

a. hinter den Aufwendungen des Vereins für das Tier, den Transport und die Vermittlung zurückbleibt oder diese gerade deckt
b. über diese Aufwendungen hinausgeht, der Gewinn aber dazu dient, ungedeckt geblieben Aufwendungen für die Vermittlung anderer herrenloser Tiere, Aufwendungen für herrenlose Tiere oder andere Tierschutzprojekte zu finanzieren?

Beurteilung

1. Zur Frage, ob der Begriff der \"wirtschaftlichen Tätigkeit\" eine Tätigkeit wie die des gemeinnützig tätigen Vereins erfasst, stellt das Gericht zunächst fest, dass mangels einer Definition der Begriff anhand seines Kontexts auszulegen ist. Die VO selbst unterscheidet demnach nicht zwischen wirtschaftlichen Tätigkeiten, mit denen ein finanzieller Gewinn erzielt werden soll, und solchen, bei denen keine Gewinnerzielungsabsicht besteht. Aus Erw. Grund 12 der VO ergibt sich, dass es nicht um einen unmittelbaren Austausch von Geld, Gütern oder Dienstleistungen für den Transport ankommt. Rechtsgrundlage der VO ist Art. 43 AEUV und gehört zur Binnenmarktpolitik. Der ausschlaggebende Faktor, aufgrund dessen eine Tätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen werden kann, liegt in der Tatsache, dass sie nicht ohne Gegenleistung erbracht werden darf. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Eigentum an den Hunden nicht übertragen wird. In Anbetracht der Ziele der VO Nr. 1/2005 dem Schutz der Tiere beim Transport und dem Abbau von technischen Hemmnissen im Handel und das reibungslose Funktionieren der Marktorganisation darf der Begriff der \"wirtschaftlichen Tätigkeit\" nicht eng ausgelegt werden. Daraus folgt, dass eine Tätigkeit wie die des gemeinnützig tätigen Vereins eine \"wirtschaftliche Tätigkeit\" i.S.v. Art. 1 Abs. 5 der VO Nr. 1/2005 darstellt.

2. Zur Frage, ob der Begriff des Unternehmers, der innergemeinschaftlichen Handel betreibt, i.S.v. Art. 12 der RL 90/425 den gemeinnützig tätigen Verein umfasst, stellt das Gericht zunächst fest, dass die Ausnahme des Art. 1 Abs. 4 dieser RL, der die nicht gewerbsmäßige innergemeinschaftliche Verbringung von Heimtieren in Begleitung einer natürlichen Person von dem Anwendungsbereich der RL ausnimmt, vorliegend nicht einschlägig ist und die RL daher den vorliegenden Fall erfasst. Relevantes Kriterium für die Qualifizierung als Unternehmer und damit die Anwendbarkeit des Art. 12 ist die ausgeübte Tätigkeit, nämlich der \"innergemeinschaftliche Handel\". Gemeint ist Handel zwischen den Mitgliedstaaten i.S.v. Art. 28 Abs. 1 AEUV, also Warenaustausch. \"Waren\" sind Geldwerte Erzeugnisse. Diese Definition schließt Tiere mit ein und zwar unabhängig davon, ob die Ware zum Zwecke des Verkaufs oder zur persönlichen Verwendung befördert wird. Folglich muss die Tätigkeit nicht auf Gewinnerzielung gerichtet sein. Würde Art. 12 der RL 90/425 keine Anwendung finden, könnte das mit der RL verfolgte Ziel, die der Entwicklung des innergemeinschaftlichen Handels mit Tieren im Wege stehenden Hindernisse zu beseitigen und die Regeln zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier zu harmonisieren, nicht erreicht werden. Daher ist der Begriff des Unternehmers dahin auszulegen, dass er den gemeinnützig tätigen Verein erfasst, der Hunde von einem Mitgliedstaat in einen anderen transportiert, um sie Personen anzuvertrauen, die sich verpflichtet haben, sie gegen Zahlung eines Betrags aufzunehmen.

Entscheidung

Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.v. Art. 1 Abs. 5 der VO Nr. 1/2005 ist dahin auszulegen, dass er die Tätigkeit des Vereins erfasst.
Der Begriff des Unternehmers, der innergemeinschaftlichen Handel betreibt, i.S.v. Art. 12 der RL 90/425/EWG ist dahin auszulegen, dass er den gemeinnützigen Verein erfasst.