Urteil: Details

Strafrecht

Tierschutz - Sonstiges

Rinder

OLG Karlsruhe

29.10.2015

3 Ss 433/15

Sachverhalt

Der Angeklagte hält Rinder (Milchkühe, Deckbullen und Kälber). Die Jungrinderabteile wiesen bei Kontrollen deutlich zu wenig Einstreu auf. Im nicht überdachten Bereich der Abteile befanden sich in erheblichem Umfang Kotberge, dünnflüssige Ausscheidungen sowie Gülleseen. Die Tiere, denen es deshalb nicht möglich war, trockene Liegeplätze einzunehmen, waren im Bereich der Läufe verschmutzt. Ursache für den Zustand der Abteile war das mangelhafte Ausmisten durch den Angeklagten sowie die unzureichende Versorgung dieser Bereiche mit Stroh.
Durch Urteil des AG Überlingen wurde der Angeklagte wegen Vergehens gegen das TierSchG in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten zur Bewährung verurteilt. Zudem wurde dem Angeklagten für die Dauer von fünf Jahren das Halten von Rindern verboten.
Auf die Berufung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft sprach das Landgericht den Angeklagten schuldig, einem Wirbeltier in drei Fällen länger anhaltende Schmerzen oder Leiden zugefügt zu haben, und verhängte gegen ihn unter Freisprechung und Zurückweisung der Berufung im Übrigen eine Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 25 Euro. Von einem Tierhaltungsverbot wurde abgesehen. Das LG hat den Angeklagten freigesprochen, weil keine konkreten Feststellungen zu den Auswirkungen dieser Haltungsbedingungen bei den Tieren getroffen worden seien. Für die Beurteilung der erheblichen Leiden i.S.d. § 17 Nr. 2b TierSchG sei darauf abzustellen, ob äußerlich wahrnehmbare Auffälligkeiten im Verhalten der Tiere festzustellen seien, die als taugliche Anzeichen für das Vorliegen eines erheblichen Leidens anzusehen sind. Mangels konkreter Feststellungen, aus denen der Schluss gezogen werden könne, dass die Tiere tatsächlich langanhaltend gelitten hätten, komme eine Verurteilung nicht in Betracht. Die Verschmutzung der Tiere sei nicht geeignet, Schmerzen oder Leiden i.S.d. § 17 Nr. 2b TierSchG zu begründen.
Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Revision ein.

Beurteilung

Das OLG hat das angefochtene Urteil im Umfang des angefochtenen Teilfreispruchs aufgehoben, weil die getroffenen Feststellungen nicht ausreichen, um zu prüfen, ob sich der Angeklagte gem. §§ 17 Nr. 2b, 18 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG schuldig gemacht hat.
Nach § 17 Nr. 2b TierSchG macht sich strafbar, wer vorsätzlich einem Wirbeltier länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt. Ordnungswidrig nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einem Wirbeltier, das er hält, ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt. Leiden sind alle nicht bereits vom Begriff des Schmerzes umfassten der Wesensart des Tieres zuwiderlaufenden, instinktwidrigen und vom Tier als lebensfeindlich empfundenen Beeinträchtigungen des Wohlbefindens. Das Merkmal der Erheblichkeit dient der Abgrenzung von Bagatellfällen. Vorliegend hat das LG erhebliche Leiden unter Berufung auf die obergerichtliche Rechtsprechung mit der Begründung verneint, dass keine äußerlich wahrnehmbaren Auffälligkeiten im Verhalten der Tiere festgestellt worden seien. Dieser Auffassung kann nur insoweit gefolgt werden, als das Vorliegen solcher Anzeichen (z.B. Verhaltensstörungen, Funktionsstörungen) ein starkes Indiz für erhebliche Leiden ist. Eine notwendige Voraussetzung hierfür sind solche jedoch nicht. Erhebliche Leiden können trotz Fehlens von äußeren erkennbaren Umständen schon dann vorliegen, wenn das Tier über einen nicht geringfügigen Zeitraum Verhaltensrestriktionen unterworden wird, die eine elementare Bedürfnisbefriedigung unmöglich macht. Eine Verhaltensstörung muss (noch) nicht eingetreten sein. Erhebliche Leiden können somit auch ohne äußere Anzeichen aufgrund nicht artgerechter Haltung entstehen.
Hiervon ausgehend reichen die vom LG getroffenen Feststellungen nicht aus. Es bedarf näherer Feststellungen zum arttypischen Verhalten der Tiere und wie dieses bei den Tieren des Angeklagten infolge seines Unterlassen konkret betroffen ist. Hierbei sind auch die konkreten gesetzlichen Vorgaben zur artgerechten Tierhaltung in den Blick zu nehmen (§ 2 Nr. 1 TierSchG, § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 TierSchNutztV). Sofern sich in der neuen Hauptverhandlung erhebliche Leiden der Tiere feststellen lassen, ist eine Straftat nach § 17 Nr. 2b TierSchG oder eine Ordnungswidrigkeit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG zu prüfen. Bei einer mehrere Tage anhaltenden artwidrigen Haltung, hier in Form fehlender Liegefläche, dürfte man wohl von länger anhaltenden Leiden ausgehen können.
Die Aufhebung des Teilfreispruchs zieht auch die Aufhebung des Urteils nach sich, soweit von einem Tierhaltungsverbot nach § 20 TierSchG abgesehen wurde, weil schon die Tatsachengrundlage der gerichtlichen Ermessensentscheidung noch nicht vollständig feststeht. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn die Verwaltungsbehörde im Falle der Nichtanordnung eines strafrechtlichen Verbots ankündigt, ein Verbot nach § 16a Abs. 1 Nr. 3 TierSchG auszusprechen.

Entscheidung

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des LG Konstanz mit den Feststellungen aufgehoben, soweit
- der Angeklagte unter Ziffer VIII.1. der Urteilsgründe freigesprochen wurde und
- von der Verhängung eines Tierhaltungsverbotes abgesehen wurde.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an eine andere Kleine Strafkammer des LG Konstanz zurückverwiesen.