Urteil: Details

Öffentliches Recht

sonstige

Schlangen, Königspython

VG Düsseldorf

18.08.2014

23 K 5500/12

Sachverhalt

Die Klägerin ist Halterin und Züchterin von Schlangen, u.a. der Art Königspython (Python regius).
Unter dem 03.05.2012 beantragte die Klägerin eine Verlängerung der bis zum 30.06.2012 befristeten Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Handel und zur Zucht von Schlangen, u.a. der Art Königspython.
Am 25.05.2012 stellte der Beklagte bei einer Kontrolle fest, dass die Klägerin Königspythons in Terrarien sowie in Racks (in einem Regal befindliche Schubladensysteme) unterschiedlicher Größe hält. Er wies die Klägerin auf seine Bedenken bzgl. ausschließlicher Rackhaltung hin.
Am 26.06.2012 erteilte der Beklagte der Klägerin eine Erlaubnis nach § 11 I Nr. 3 a) TierSchG (alte Fassung bis 13.07.2013) zur Zucht mit Schlangen unter anderem mit einer Auflage (Ziffer 5), die folgendes vorsah:
\"In Racksystemen dürfen ausschließlich Schlangen der Art Python regius gehalten werden. Die Haltung ist zudem nur bei
a) Jungtieren bis zu einer Länge von 45 cm bzw. bis zu einem Alter von sechs Monaten und
b) tragenden Schlangen im letzten Drittel der Trächtigkeit erlaubt und mit folgenden Auflagen verbunden:
- Die Abmessungen der Racksystem-Boxen müssen mindestens 1 x 0,5 x 0,3 (Länge x Breite x Höhe) bezogen auf die Gesamtlänge des Tieres betragen
- ()\".
Der Beklagte stützte sich hierfür auf das vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) herausgegebene Gutachten \"Mindestanforderungen an die Haltung von Reptilien\" aus dem Jahr 1997, auf eine Stellungnahme der Frau Dr. C., stellvertretende Vorsitzende der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V., aus dem Jahr 2012 sowie auf ein Gutachten des Dr. X. aus dem Jahr 2005.
Die Klägerin hat am 03.08.2012 Klage erhoben und trägt vor:
Der Beklagte stütze sich hinsichtlich der Einschränkung in Ziffer 5 der Erlaubnis auf das vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) herausgegebene Gutachten \"Mindestanforderungen an die Haltung von Reptilien\" aus dem Jahr 1997, welches jedoch veraltet sei und daher nicht mehr zur tierschutzrechtlichen Beurteilung der Rackhaltung von Schlangen herangezogen werden könne. Die Rackhaltung von Schlangen habe sich erst in den letzten Jahren bei internationalen Züchtern als artgerecht durchgesetzt. Pythons fühlten sich in Racks sehr wohl, sie entwickelten sich besser und schneller und verweigerten nicht wie in Terrarien die Nahrung und würden auch seltener krank als in Terrarien.
In der Natur lebten Königspythons in Nagerbauten und Termitenhügeln und kletterten nicht. Lediglich Jungtiere kletterten auch, allerdings nur in Büschen, nicht in Bäumen. Weiter hätten Königspythons nur einen sehr geringen Bewegungstrieb sie verließen ihre Bauten nur, um Nahrung zu suchen oder sich zu paaren. Beide Bedürfnisse fielen in der Haltung im Rack weg, da den Schlangen Nahrung gereicht würde und zur Paarungszeit jeweils ein Partner ins Rack gesetzt würde.
Weiter habe die Königspython als Höhlenbewohner einen hohen Anspruch an das Sicherheitsgefühl. Daher sollte sie in einer möglichst flachen Rack-Box gehalten werden, weil nur diese einer Höhle am nächsten komme. Aus diesen Gründen sei eine Rackhaltung von Pythons uneingeschränkt zuzulassen.
Auch lasse die Anatomie der Königspython ein sicheres Klettern nicht zu, dies sei wissenschaftlich anerkannt lediglich die Jungtiere kletterten ab und an in Büschen. Schon deswegen seien die Einschränkungen der Ziffer 5 widersprüchlich, da sie gerade die Haltung von Jungtieren bis 45 cm bzw. sechs Monate in Racks erlaubten.
Frau Dr. C., auf deren Stellungnahme sich der Beklagte weiterhin stütze, sei in der Fachwelt mit ihrer Meinung isoliert.
Letztlich habe der Beklagte bei Kontrollen immer bestätigt, dass die Tiere der Klägerin einen gesunden und guten Eindruck machten. Wenn diese litten oder Schmerzen hätten, würden keine Futteraufnahme und keine erfolgreiche Nachzucht erfolgen.
Im Ergebnis sei die Rackhaltung deutlich besser als die Haltung in Terrarien.
Die Klägerin legt mehrere wissenschaftliche Berichte und Gutachten zur Untermauerung ihrer Sichtweise vor.
Sie beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihr unter Aufhebung der Ziffer 5 eine Erlaubnis gem. § 11 I Nr. 8 a) und b) TierSchG (n.F. ab 13.07.2013) zu erteilen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er trägt vor, er habe da das vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) herausgegebene Gutachten \"Mindestanforderungen an die Haltung von Reptilien\" aus dem 1997 stamme und daher alt sei zusätzlich andere Gutachten und wissenschaftliche Berichte herangezogen um die Haltung der Klägerin zu beurteilen.
Aufgrund des derzeitigen Wissensstandes sei die Rackhaltung gerade nicht als übliche Haltung anzusehen. Die Einschränkungen der Tiere, die diese durch die Haltung in einem Rack erführen, entsprächen nicht den Grundsätzen des Tierschutzes, die gerade in den vergangenen Jahren erheblichen Wandlungen unterworfen worden seien und zwar einem Wandel hin zu Bedürfnissen und natürlichen Verhaltensweisen der Tiere und weg von wirtschaftlichen Interessen.
Letztlich sei es irrelevant, dass viele internationale Züchter ihre Schlangen in Racks hielten. Entscheidend seien die aus wissenschaftlichen Anforderungen herzuleitenden Gesichtspunkte.

Beurteilung

Das VG Düsseldorf hat die Klage abgewiesen.
Es begründet seine Entscheidung damit:
Die Klägerin begehrt eine Erlaubnis gem. § 11 I Nr. 8 a), b) TierSchG n.F., die sie braucht, um gewerbsmäßig Wirbeltiere züchten oder halten und mit ihnen zu handeln.
§ 11 TierSchG n.F. sagt nichts darüber, unter welchen Voraussetzungen diese Erlaubnis erteilt werden kann/muss.
Zwar ermächtigt § 11 II 1 Nr. 2 TierSchG n.F. das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zum Erlass einer Rechtsverordnung, die die Voraussetzungen und das Verfahren zur Erlaubniserteilung regelt. Eine solche ist bislang jedoch nicht erlassen worden.
Jedoch bestimmt § 21 V 1 TierSchG n.F., dass bis zum Erlass einer solchen Rechtsverordnung § 11 I S. 2, 3, II, IIa, V und VI TierSchG a.F. weiter anzuwenden sind.
§ 11 I S. 2 und 3 TierSchG a.F. stellen formale Antragsvoraussetzungen auf, § 11 II TierSchG a.F. materielle Voraussetzungen. Nach § 11 II Nr. 3 TierSchG a.F. müssen die der Tätigkeit dienenden Räume und Einrichtungen eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Ernährung, Pflege und Unterbringung der Tiere ermöglichen.
Hier musste auf die verhaltensgerechte Unterbringung, § 2 Nr. 1 TierSchG, näher eingegangen werden.
Für die Frage, ob die Haltung von Königspythons in sogenannten Rack-Systemen verhaltensgerecht ist, kommt es darauf an, ob dem Tier die Ausübung seiner elementaren artgemäßen Bedürfnisse ermöglicht wird. Die Anforderungen müssen sich dabei entsprechend der Zielrichtung des Tierschutzgesetzes daran orientieren, wie ein Tier sich unter seinen natürlichen Lebensbedingungen verhält und nicht daran, ob das Tier sich auch an andere Lebensbedingungen unter Aufgabe der ihm in Freiheit eigenen Gewohnheiten und Verhaltensmuster anpassen kann.
Weisen gutachtliche wissenschaftliche Erkenntnisse wie hier in verschiedene Richtungen, sind die jeweils tragenden Gesichtspunkte vom Gericht zu gewichten und sachlich gegeneinander abzuwägen.
Tragendes Argument dafür, dass Königspythons mehr Platzbedarf insbesondere in die Höhe haben als ihnen in einem Rack gewährt wird, ist, dass diese Schlangenart sich in der Natur nicht ausschließlich in engen Verstecken aufhält, sondern auch ihre Bauten verlässt und jedenfalls auch in Büschen zu finden ist.
Keines der wissenschaftlichen Gutachten auch nicht die, die von der Klägerin vorgelegt wurden zieht den Schluss, dass Königspythons nicht gerne klettern. Fast alle wissenschaftlichen Berichte/Studien/Stellungnahmen gehen davon aus, dass die Königspython saisonal bedingt ihren Bau verlässt und sich dreidimensional fortbewegt.
Es steht damit zur Überzeugung des Gerichts fest, dass Königspythons sich in ihrem natürlichen Lebensraum nicht ausschließlich in Höhlen aufhalten, sondern diese sei es zum Nahrungserwerb, sei es zur Paarung verlassen und sich zudem auch in Büschen aufhalten.
Der Schutzumfang des § 2 Nr. 1 TierSchG lässt sich nicht dadurch mindern, dass einzelne Verhaltensbedürfnisse obwohl zum verhaltensgerechten Unterbringen gehörend herausgenommen werden dürfen mit der Begründung, das Tier benötige das jeweilige Verhaltensmuster nicht, um zu überleben und gesund zu bleiben. Alleiniger Maßstab ist das Normalverhalten, das von den Tieren der betreffenden Art unter naturnahen Haltungsbedingungen bei freier Beweglichkeit und vollständigem Organgebrauch gezeigt wird. Das Gesetz fordert eine verhaltensgerechte und nicht etwa nur die gesunde, das Überleben sichernde oder die leistungsgerechte Unterbringung.
Für § 2 Nr. 1 TierSchG kommt es auch nicht darauf an, ob die Unterdrückung des jeweiligen Verhaltensbedürfnisses zu Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier führt.
Es spielt auch keine Rolle, ob sich Königspythons in Racks besser vermehren, gesünder sind oder besser fressen. Entscheidend ist, dass die ausschließliche Haltung von adulten Königspythons in Racks nicht den üblichen Lebensverhältnissen dieser Tierart in Freiheit entspricht, da diese in der Natur ihren Bau verlassen und sich dreidimensional fortbewegen.
Die Haltung von adulten Königspythons in sogenannten Rack-Systemen ist daher nicht verhaltensgerecht und entspricht daher nicht den Anforderungen des § 2 TierSchG.
Die Klägerin kann also keine Erlaubnis i.S.v. § 11 TierSchG ohne die Einschränkungen der Ziffer 5, die eine Inhaltsbestimmung darstellt, erhalten.

Entscheidung

Das VG Düsseldorf hat die Klage abgewiesen.