Das VG verpflichtete den Beklagten zur Neubescheidung der Klägerin unter der Rechtsauffassung des Gerichts.
Die Klägerin begehrt eine Erlaubnis gem. § 11 I Nr. 8 a) TierSchG n.F., die sie braucht, um gewerbsmäßig Wirbeltiere zu halten.
§ 11 TierSchG n.F. sagt nichts darüber, unter welchen Voraussetzungen diese Erlaubnis erteilt werden kann/muss.
Zwar ermächtigt § 11 II 1 Nr. 2 TierSchG n.F. das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zum Erlass einer Rechtsverordnung, die die Voraussetzungen und das Verfahren zur Erlaubniserteilung regelt. Eine solche ist bislang jedoch nicht erlassen worden.
Jedoch bestimmt § 21 V 1 TierSchG n.F., dass bis zum Erlass einer solchen Rechtsverordnung § 11 I S. 2, 3, II, IIa, V und VI TierSchG a.F. weiter anzuwenden sind.
§ 11 I S. 2 und 3 TierSchG a.F. stellen formale Antragsvoraussetzungen auf, § 11 II TierSchG a.F. materielle Voraussetzungen. Nach § 11 II Nr. 3 TierSchG a.F. müssen die der Tätigkeit dienenden Räume und Einrichtungen eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Ernährung, Pflege und Unterbringung der Tiere ermöglichen. Beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 II TierSchG a.F. muss die Behörde die begehrte Erlaubnis erlassen, sie hat diesbezüglich kein Ermessen mehr. Dies sieht auch das VG Gelsenkirchen so (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil v. 15.05.2014, 16 K 5116/12, Rn. 43).
Abschließend kann noch keine Verpflichtung des Beklagten zum Erlass der Erlaubnis ausgesprochen werden, denn eine Erlaubniserteilung kann nur unter Auflagen i.S.v. § 11 IIa TierSchG a.F. erfolgen. Mögliche Auflagen hatte der Beklagte bislang aber noch nicht geprüft, da er aufgrund des Erlasses des Thüringischen Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit vom 29.09.2011 von der fehlenden Erlaubnisfähigkeit ausging.
Der Beklagte muss sich in einem erneuten Erlaubnis-Erteilungsverfahren mit Auflagen betreffend die Haltung der Fische sowie mit der Sachkunde der Klägerin beschäftigen.
Das Gericht ist der Meinung, dass sich die Ablehnung der begehrten Erlaubnis nicht auf den Erlass des Thüringischen Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit vom 29.09.2011 stützen lässt. Dieser ist schon nicht eindeutig denn er sagt nur, dass die Stellungnahme des Niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) zum Tierschutz von Fischen \"heranzuziehen\" ist. In der Tat geht diese Stellungnahme davon aus, dass der Einsatz von Kangalfischen ohne medizinische Indikation überhaupt nicht erlaubnisfähig ist. Diese Aussage auf S. 7 der Stellungnahme wird jedoch mit dem nächsten Satz stark relativiert: \"Ich möchte in diesem Zusammenhang jedoch vorsorglich darauf hinweisen, dass auch der kosmetische Zweck bzw. das Wellnessziel von einer Abwägungsdiskussion hinsichtlich des vernünftigen Grundes nicht gänzlich ausgeschlossen zu sein scheinen.\"
Nach Auffassung des Gerichts ist der gewerbsmäßige Einsatz von Kangalfischen zu kosmetischen und Wellnesszwecken durchaus erlaubnisfähig. Dies sieht auch das VG Gelsenkirchen so (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil v. 15.05.2014, 16 K 5116/12).
Gem. § 11 II Nr. 3 TierSchG a.F. müssen jedoch die Anforderungen des § 2 TierSchG eingehalten werden.
Hierzu geht das Gericht zunächst davon aus, dass menschliche Hautschuppen sehr wohl zur artgerechten Ernährung von Kangalfischen gehören. Denn Kangalfische haben in kargen Regionen das Verhalten angenommen, auch die Haut von Menschen anzuknabbern. Dieses Verhalten ist artgerecht. Jedenfalls müsse die Klägerin ohnehin zufüttern, dies hat sie auch in der mündlichen Verhandlung angekündigt.
Auch könne die Klägerin die Fische verhaltensgerecht unterbringen: Verhaltensgerecht ist eine Unterbringung, wenn sie den Grundbedürfnissen der Tiere Rechnung trägt, diese sind z.B. die Nahrungsaufnahme, die Eigenkörperpflege oder das Ruheverhalten. Insbesondere kommt es für eine verhaltensgerechte Unterbringung nach § 2 Nr. 1 TierSchG nicht darauf an, ob die Unterdrückung des jeweiligen Verhaltensbedürfnisses zu Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier führt. Begrenzt wird die verhaltensgerechte Unterbringung durch das Merkmal der \"Angemessenheit\".
Hier war zu prüfen, ob das Ruheverhalten der Fische dadurch gestört werden könnte, dass die Haltung der Fische wie auch die Behandlung der Kunden im selben Becken erfolgen. Hierdurch könnte Stress verursacht werden, welcher als Leiden i.S.d. TierSchG eingestuft werden kann. Wissenschaftliche Gutachten zu dieser Frage beurteilen dies unterschiedlich. Weisen wie hier die gutachtlichen Erkenntnisse in unterschiedliche Richtungen, sind die jeweils tragenden Gesichtspunkte vom Gericht zu gewichten und sachlich gegeneinander abzuwägen.
Mögliche Stressfaktoren könnten z.B. das ständige Umsetzen vom Haltungs- in das Behandlungsbecken sein und die damit einhergehende Gefahr, durch den Einfangvorgang die Fische zu verletzen, der Stress durch das Einfangen selbst sowie mögliche Temperaturunterschiede zwischen dem Wasser des Haltungs- und dem Behandlungsbecken. Diese Stressfaktoren fallen hier von vornherein weg, das die Haltung der Fische und die Spa-Behandlungen in einem Becken durchgeführt werden, so dass ein Umsetzen der Fische nicht erforderlich ist. Weiter könnte die Aufnahme von schädlichen Stoffen von der menschlichen Haut zu befürchten sein, so etwa Kosmetika wie Cremes, Parfumes, aber auch Reste von Nikotin z.B. an den Händen der Kunden, was hochtoxisch für Fische ist. Jedoch werden in diesem Fall die Gliedmaßen der Menschen vor der Behandlung gewaschen, womit auch diesen Stressfaktoren wirksam begegnet wird.
Möglichen Stressfaktoren durch eine Verunreinigung des Wassers wird durch geeignete Pumpen- und Filtersysteme sowie regelmäßigen Wasserwechsel begegnet.
Auch können sich nach dem von der Klägerin vorgelegten Konzept die Fische jederzeit in das am Beckenboden angebrachte Viertelröhrensystem zurückziehen. Letztlich wird auch die Besatzdichte von einem cm Fisch pro Liter durch die Klägerin eingehalten diese Besatzdichte wird in der Stellungnahme des LAVES empfohlen.
Letztlich muss geprüft werden, ob die Bewegungen der menschlichen Gliedmaßen bei den Fischen Stress erzeugen können. Unstreitig ist wohl, dass die Fische keine Angst vor dem Kontakt mit den menschlichen Gliedmaßen haben. Daher lösen nicht die Gliedmaßen an sich Stress für die Fische aus, sondern schnelle und hektische Bewegungen derselben könnten dies tun.
So könnte man meinen, dass die Fische die menschlichen Gliedmaßen als eine Dauerbedrohung durch einen möglichen Fressfeind wahrnähmen. Dies wird aber nur zu einem Problem, wenn die Fische sich dieser Bedrohung nicht entziehen können. Durch das am Beckenboden angebrachte Viertelröhrensystem ist dies aber jederzeit möglich.
Jedenfalls durch das Einsteigen der Kunden in das Becken kann angenommen werden, dass die Fische in kurzzeitigen Stress versetzt werden. Bei einem ordnungsgemäßen Handling und ruhigem Verhalten der Kunden sind dies aber lediglich primäre und sekundäre Stressreaktionen, von denen sich die Fische innerhalb einer kurzen Zeitspanne wieder erholen (akuter Stress). Auch die Tatsache, dass die Fische sich freiwillig zu den menschlichen Gliedmaßen bewegen, spricht dafür, dass sie kein Problem damit haben.
Nur wegen diesem o.g., kurzzeitigen Stress, kann das Gericht die Anforderungen an eine verhaltensgerechte Unterbringung nicht ablehnen. Insbesondere ist es für die Fische möglich, sich in die Ruhezonen zurückzuziehen und der Klägerin ist es möglich, die Kunden zu einem ruhigen Verhalten anzuleiten. Im Übrigen schwimmt auch in der Natur einmal ein großer Fisch vorbei, so dass die kleineren Fische kurzzeitig Stress bekommen.
Der hier zu erwartende Stress der Tiere ist also so gering, dass das Merkmal der \"Angemessenheit\" nicht überschritten ist. Die Unterbringung kann verhaltensgerecht erfolgen.
Selbst wenn man in dem o.g. kurzzeitigen Stress ein Leiden i.S.d. TierSchG sehen wollte, wären diese jedenfalls unvermeidbar, wenn es einen vernünftigen Grund dafür gibt. Der vernünftige Grund ist ein nachvollziehbarer, billigenswerter Zweck, der geeignet, erforderlich und angemessen ist. Eine Fisch-Spa-Behandlung ist solch ein Zweck und damit ein vernünftiger Grund. Nicht nur medizinische Zwecke sind nachvollziehbar und billigenswert. Auch im Bereich der Freizeit und der Kosmetik kann dies so sein. Zu diesem Ergebnis führt letztlich eine in der Angemessenheit durchzuführende Leiden-Nutzen-Abwägung: Zwar hat der Tierschutz in dieser Abwägung einen sehr hohen Rang. Die bei der Fisch-Spa-Behandlung für die Fische zu erwartenden Leiden sind aber bei entsprechenden Haltungs- und Einsatzbedingungen so gering wenn man überhaupt von Leiden sprechen kann dass der wenn auch nur im Bereich von Kosmetik und Wellness anzusiedelnde Nutzen sie deutlich übersteigt.
Letztlich ist der vernünftige Grund gerade kein zwingender Grund, wie der Beklagte meint, der nur zum Zuge kommt, wenn das angestrebte Ziel auf andere Weise nicht erreicht werden kann.