Urteil: Details

Strafrecht

Rinder

Rinder

AG Wetzlar

30.01.2013

43 Ds - 4 Js 5565/12

Sachverhalt

Der nicht vorbestrafte Angeklagte kommt aus einer Viehhändlerfamilie und wurde im Jahr 2011 mit Urteil vom Amtsgericht Gießen (5414 OWi 802 Js 2067/11) zu einer Geldbuße von 150 € verurteilt, weil er fahrlässig als verantwortlicher Transportunternehmer und Organisator nicht für die Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorschriften gesorgt haben soll. Bei zwei weiteren Ordnungswidrigkeitenverfahren in Cuxhaven und Gütersloh ist der Ausgang unbekannt.
Seit 1999 hat der Angeklagte ein Gewerbe mit dem Gegenstand \"An- und Verkauf von Nutz-, Zucht und Schlachtvieh\" auf sich angemeldet. Er beschäftigt drei Fahrer und gelegentlich Aushilfsfahrer. Er hat drei große LKW (40-Tonner) und einen kleinen LKW (12-Tonner), mit denen er Tiertransporte durchführt bzw. von seinen Fahrern durchführen lässt und ist für den An- und Verkauf der Tiere, für die Preisabsprachen mit den Bauern und für die Organisation und Überwachung der Transporte verantwortlich.
Im September 2010 erwarb der Angeklagte insgesamt 38 ausgewachsene, behornte Mutterkühe, die er in gesundem Zustand von zwei Firmen übergeben bekam. Diese fuhr er zunächst zu seiner Betriebsstätte ins Münsterland. An einem anderen Tag im September 2010 wurden diese Kühe auf einen Transporter (40-Tonner) verladen, um sie zum Schlachthof zu fahren.
Laut Fahrer und den Kontrollbüchern befanden sich auf der Zugmaschine (einstöckig) zehn Kühe und auf dem Anhänger (doppelstöckig) unten 13 und oben 12 Kühe.
Entgegen diesen Angaben befanden sich auf der oberen Etage der Zugmaschine drei weitere Kühe. Das Hubdach des Anhängers war auf 4,13 m angehoben worden, womit die zulässige straßenverkehrsrechtliche Maximalhöhe von 4,00 m überschritten war. Das Hubdach der Zugmaschine war nicht angehoben und die Lüftungsklappen geschlossen. Ob der Angeklagte bei der Verladung anwesend gewesen war bzw. ob er die Verladung konkret so angeordnet hatte, konnte nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.
Nach einer Fahrzeit von ca. vier Stunden wurde der Transport zu einer Routinekontrolle durch das Veterinäramt angehalten. Amtstierärzte stellten fest, dass mindestens zwei Tiere im Anhänger unten und eine Kuh im unteren Teil der Zugmaschine mit dem Rücken an die Decke stießen. Während der Kontrolle versuchte der Angeklagte massiv zu verhindern, dass die Tiere auf einer Notabladestelle abgeladen wurden.
Durch den Transport mit dem abgesenkten Boden hatten insbesondere fünf Kühe auf der Zugmaschine (drei oben und mindestens zwei unten) zu wenig Raumhöhe, so dass sie während des Transports mit ihren Rücken immer wieder an die Decke stießen und ihnen so erheblich schmerzhafte Verletzungen zugefügt wurden, nämlich großflächige Hämatome im Bereich der Lenden- und Brustwirbelsäule, offene blutige Verletzungen am Rücken, vor allem im Bereich der Schwanzwurzel. Diese Verletzungen und erheblichen Schmerzen hielten bis zur Schlachtung am nächsten Tag an und waren anhand von Schlachtbefunden nachvollziehbar.
Bei einem doppelstöckigen Transport von ausgewachsenen Rinder dieser Rasse ist die erforderliche Rückenhöhe in dem LKW des Angeklagten nicht gewährleistet. Das, und auch dass die Kühe sich deswegen Schmerzen und Verletzungen am Rücken zuziehen, wusste der Angeklagte aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung, jedenfalls aber durch die gegen ihn laufenden OWi-Verfahren.
Selbst wenn der Angeklagte die Kühe nicht selbst verladen hat und bei der Verladung abwesend war, so hat er nicht verhindert, dass die Kühe wie geschehen verladen wurden. Dies tat er aus dem Grund, einen möglichst hohen Profit zu erzielen. Durch den Transport erzielte der Angeklagte einen Rohgewinn i.H.v. 2.828,68 €. Die Verletzungen der Tiere nahm er jedenfalls billigend in Kauf.

Beurteilung

Der Angeklagte hat zunächst den Tatbestand der quälerischen Tiermisshandlung nach § 17 Nr. 1b) TierSchG erfüllt. Danach wird bestraft, wer einem Wirbeltier länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.
Durch das permanente Anstoßen an die Decke des Transporters mit dem Rücken und der Wirbelsäule zogen sich zumindest fünf Kühe ständig neue Traumata in Form von Hämatomen und blutige Verletzungen zu. Angesichts des Umfangs der Verletzungen und der empfindlichen Körperregion (Knochenhaut und Gewebe um die Wirbelsäule) sowie angesichts des zusätzlichen Stresses durch den Transport an sich litten die Tiere fortwährend intensive Schmerzen. Diese stellten auch nicht nur unbedeutende Störungen des tierischen Wohlbefindens dar. Die Schmerzen hätten noch mehrere Tage angedauert. Dass die Kühe zur Schlachtung vorgesehen waren, ändert nichts.
Der Angeklagte wusste auch, dass die Kühe nicht genug Rückenfreiheit haben die erlittenen Verletzungen nahm er billigend in Kauf, handelte also mit Eventualvorsatz.
Der Angeklagte hat gleichzeitig den Tatbestand der rohen Tiermisshandlung nach § 17 Nr. 1a) TierSchG erfüllt. Nach § 17 Nr. 1a) TierSchG wird bestraft, wer einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.
Der Angeklagte hat den bevorstehenden Transport nicht verhindert und sich somit bewusst und gefühllos über die den Tieren bevorstehenden Schmerzen hinweggesetzt, um einen möglichst hohen Profit aus dem Transport zu generieren.
Beide Tatbestände hat er durch Unterlassen erfüllt, § 13 StGB. Er war für die Organisation und Überwachung der Transporte zuständig und damit für die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorschriften. Er hatte also die Pflicht, einen Transport den Vorschriften entsprechend zu gestalten. Dieser Pflicht ist er nicht nachgekommen.
Als Strafrahmen sieht § 17 TierSchG Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor.
Zu Gunsten des Angeklagten spricht, dass er nicht vorbestraft ist und die in Rede stehende Tat zum Zeitpunkt der Verurteilung bereits zwei Jahre und vier Monate zurückliegt.
Zu seinen Ungunsten spricht, dass er zwei Tatbestände des § 17 TierSchG tateinheitlich verwirklichte und dies während des laufenden Ordnungswidrigkeitenverfahrens vor dem AG Gießen. Auch wurde vom Gericht berücksichtigt, dass es sich bei den Taten des Angeklagten laut der Amtstierärztin um den eklatantesten Fall handelte, den diese in mehr als zehnjähriger Amtszeit zu verzeichnen hatte.
Da die Gesinnung des Angeklagten und die Erheblichkeit der Schmerzen bereits im Tatbestand enthalten sind, sind diese nicht (noch einmal) bei der Strafzumessung zu verwerten.

Entscheidung

Das AG Wetzlar hat den Angeklagten wegen roher Tiermisshandlung, § 17 Nr. 2a) TierSchG in Tateinheit mit quälerischer Tiermisshandlung, § 17 Nr. 2b) TierSchG durch Unterlassen zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 150 € verurteilt.
Das mit der Berufung befasste LG Limburg hat das Urteil sodann dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 100 € verurteilt wird (4 Ns 4 Js 5565/12).
Das OLG Frankfurt am Main hat die Revision des Angeklagten hiergegen verworfen (1 Ss 410/13 4 Ns 4 Js 5565/12).