Sachverhalt:
Die Antragstellerin transportiert regelmäßig nicht abgesetzte - dh noch Muttermilch saugende - Kälber u. a. von Baden-Württemberg nach Spanien. Die zuständige Behörde verweigerte die Abfertigung eines Transports von 235 nicht abgesetzten Kälbern nach Spanien mit dem Hinweis, dass aufgrund eines Erlasses des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz des Landes Baden-Württemberg aktuell keine langen Transporte von Kälbern abgefertigt würden. Weiter sei in dem Transportmittel kein Saugsystem mit Milch speziell für Kälber vorhanden, sondern lediglich eine Wassertränke für adulte Rinder, womit das Transportmittel ungeeignet sei. Daraufhin stellte die Antragstellerin einen Eilantrag bei dem VG Sigmaringen mit dem Ziel, die Behörde zu verpflichten, den langen Transport nicht abgesetzter Kälber abzufertigen.
Beurteilung:
Das VG Sigmaringen hat die Behörde verpflichtet, den beantragten Transport abzufertigen bzw. das Fahrtenbuch zu stempeln.
Denn die Antragstellerin habe einen Anspruch auf Abfertigung/Stempelung des Transports, da die Voraussetzungen des Artikels 14 der EU-Tiertransportverordnung, die die Behörde zu überprüfen hätte, vorlägen. Das von der Antragstellerin vorgelegte Fahrtenbuch enthalte wirklichkeitsnahe Angaben und unterschreite insbesondere auch die in der Transportverordnung vorgegebene Höchstdauer eines Transports, sofern man eine zweistündige Verlängerung der Fahrtzeit entsprechend Nr. 1.8 des Kapitels V des Anhangs I der EU-Tiertransportverordnung einkalkuliere. Nicht abgesetzte Kälber müssten nach einer Beförderungsdauer von neun Stunden eine ausreichende, mindestens einstündige Ruhepause erhalten, insbesondere damit sie getränkt und nötigenfalls gefüttert werden könnten. Nach dieser Ruhepause könne die Beförderung für weitere neun Stunden fortgesetzt werden. Nach Nr. 1.8 des Kapitels V des Anhangs I der EU-Tiertransportverordnung dürfe diese Beförderungsdauer von höchstens 19 Stunden insbesondere unter Berücksichtigung der Nähe des Bestimmungsortes im Interesse der Tiere um zwei Stunden verlängert werden.
Das von der Antragstellerin verwendete Transportmittel erfülle die Voraussetzungen des Kapitels VI des Anhangs I der EU-Tiertransportverordnung. Insbesondere würden die von der Behörde als unzureichend bezeichneten Anforderungen an das Versorgungssystem eingehalten. Nr. 2.1 des Kapitels VI des Anhangs I der EU-Tiertransportverordnung fordere, dass Transportmittel mit einem Wasserversorgungssystem ausgestattet sein müssen, das es dem Betreuer ermöglicht, während der Beförderung jederzeit sofort Wasser nachzufüllen, damit jedes Tier ständig Frischwasser zur Verfügung habe. Dabei müssten die Tränkevorrichtungen stets voll funktionsfähig und so konstruiert und positioniert sein, dass sie für alle an Bord des Fahrzeugs zu tränkenden Kategorien von Tieren zugänglich seien (siehe Nr. 2.2 des Kapitels VI des Anhangs I der EU-Tiertransportverordnung). Dass die hierin enthaltenen Voraussetzungen eingehalten sind, sei nicht bestritten. Das hierüber hinausgehende und von der die Abfertigung verweigernden Behörde geforderte, der Physiologie und den Verhaltensansprüchen der Kälber genügende, den zweiphasigen Saugakt ermöglichende automatische Versorgungssystem mit Milch und Saugstutzen sei ausweislich des Kapitels VI des Anhangs I der EU-Tiertransportverordnung jedoch nicht vorzuhalten. Denn die EU-Tiertransportverordnung enthalte keine Anforderungen an das Transportmittel, die über ein Wassertränkesystem hinausgingen. Die EU-Tiertransportverordnung gehe vielmehr davon aus, dass eine erforderliche Fütterung auch in der Pause erfolgen könne, sie schreibe nämlich vor, dass Futter und entsprechende notwenige Vorrichtungen im Transportmittel mitgeführt werden müssten (siehe Nr. 1.3 bis 1.5 des Kapitels VI des Anhangs I der EU-Tiertransportverordnung). Ein Saugsystem mit Milch müsse daher nicht in dem Transportmittel sein, die Wassertränke genüge für die Einhaltung der Vorschriften.
Auch die Transportzeiten würden eingehalten. Die Antragstellerin habe eine Gesamtbeförderungszeit von 20,5 Stunden angegeben. Diese Zeit halte das Gericht für plausibel. Die Fahrzeiten anderer Transporte aus dem Jahr 2020 zeigten, dass es regelmäßig eine Überschreitung der erlaubten 19 Stunden gab. Lege man diese Auswertungen zugrunde so ergebe sich, dass die Antragstellerin zwar die erlaubten 19 Stunden überschreite, aber es wegen Nr. 1.8 des Kapitels V des Anhangs I der EU-Tiertransportverordnung zulässig sei, diese 19 Stunden um zwei Stunden zu verlängern, so dass die Antragstellerin unter Hinzurechnung der Verlängerungsmöglichkeit von zwei Stunden die zulässige Maximalzeit von 21 Stunden nicht überschreite.
Das Gericht sehe die Vorschrift der Nr. 1.8 des Kapitels V des Anhangs I der EU-Tiertransportverordnung nicht als Ausnahmevorschrift an, die restriktiv angewendet werden müsse. Vielmehr gehe das Gericht davon aus, dass von der Verlängerung der Gesamtbeförderungsdauer um zwei Stunden bereits bei der Transportplanung Gebrauch gemacht werden könne.