Urteil: Details

Öffentliches Recht

Qualzucht

Katze

VG Hamburg

04.04.2018

11 E 1067/18

Sachverhalt

Die Antragsteller betreiben eine Zucht mit einer Katze und einem Kater der Rasse Canadian Sphynx. Bei einer Kontrolle der Haltung stellte die Antragsgegnerin fest, dass sowohl bei den Elterntieren als auch bei den drei Katzenwelpen keine Vibrissen erkennbar waren. Darauf untersagte sie den Antragstellern ihre Sphynx-Katzen-Zucht (Ziff 1.) und ordnete die Kastration des Katers für den Fall an, dass dieser mit geschlechtsreifen weiblichen Katzen zusammengehalten oder abgegeben wird (Ziff. 2 u. 3.). Weiter ordnete sie für den Fall der Abgabe der Katze auch ihre Kastration an (Ziff. 4.). Ferner traf die Antragsgegnerin eine Anordnung für den Fall des Verkaufs der Katzenwelpen (Ziff. 5.) und ordnete die Vorlage des Zuchtbuches an (Ziff. 6.). Für den Fall, dass die Anordnungen nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht befolgt werden, setzte die Antragsgegnerin Zwangsgelder fest. Zudem ordnete sie die sofortige Vollziehung der aufgeführten Maßnahmen gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an. Zur Begründung führte sie aus, die Ordnungsverfügung beruhe auf § 16 a Satz 1 TierSchG. Sie sei verhältnismäßig, weil eine Qualzucht vorliege. Dem Sphynx-Katzen fehlten die Tasthaare. Damit sei der Tatbestand der Qualzucht erfüllt und die Zucht sei zu untersagen. Eine Weiterverbreitung der Gene der Katzen könne nur zuverlässig verhindert werden, wenn die Kastrationen durchgeführt würden. Es entspreche dem Schutzzweck der Vorschrift, jede weitere Zucht wirksam zu unterbinden. Die Fortpflanzung der Katzen sei zur effektiven Abwehr weiterer Verstöße gegen den Tierschutz zu unterbinden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege zur Wahrung des Tierschutzes im überwiegenden öffentlichen Interesse. Es könne nicht hingenommen werden, dass bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens die Möglichkeit bestehen bleibe, einer weiteren Nachzucht die o.g. Schäden beizufügen.

Die Antragsteller beantragen, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die Ziffern 1., 2., 3. und 4. des Bescheides im Wege des vorläufigen Rechtsschutz wiederherzustellen und gehen gegen die Zwangsgeldfestsetzung vor.

Beurteilung

Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. Die Zucht von Sphynx-Katzen ohne funktionsfähige Vibrissen verstößt gegen § 11b Abs. 1 Nr. 1TierSchG.

Die Antragsgegnerin hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung in einer dem § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise schriftlich begründet. Sie hat darauf abgestellt, dass die Maßnahmen zur Abwendung von Schäden und andauernden Leiden für eventuelle Nachkommen aus der Verpaarung, erfolgen. Damit hat sie einzelfallbezogen und nicht nur formelhaft ein sofortiges Vollzugsinteresse dargelegt, dass über das allgemeine Interesse an der Befolgung ihrer Anordnungen hinausgeht. Mit jeder Nachzucht verbreite sich das Qualzuchtmerkmal weiter und die Gefahr der Verbreitung wachse weiter an.

Nach der vom Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO zu treffenden Abwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides das Interesse der Antragsteller an der Aussetzung. Denn der Bescheid erweist sich als rechtmäßig und es besteht ein besonderes Vollzugsinteresse, demgegenüber das Interesse der Antragsteller an einem Aufschub der Vollziehung zurückzustehen hat.

Die in Ziff. 1. des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Untersagung der von den Antragstellern ausgeübten Sphynx-Katzen-Zucht dürfte rechtmäßig sein. Rechtsgrundlage ist § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG i.V.m. § 11b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG. Danach trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Die Zucht von Sphynx-Katzen durch die Antragsteller verstößt gegen das in § 11b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG geregelte Qualzuchtverbot. Daraus, dass das Bundesministerium bislang keinen Gebrauch von der durch § 11b Abs. 4 Nr. 2 TierSchG eröffneten Ermächtigung gemacht hat folgt nicht, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage fehlt, sondern dass die Entscheidung, ob eine Qualzucht vorliegt, im jeweiligen Einzelfall nach Maßgabe der in § 11b Abs. 1 TierSchG genannten Voraussetzungen zu treffen ist. Als Orientierungshilfe dient dabei das Gutachten zur Auslegung von § 11b TierSchG vom 2. Juni 1999 (sog. Qualzuchtgutachten).

Die Voraussetzungen des § 11b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG dürften hier vorliegen. Die Zucht von Katzen der Rasse Canadian-Sphynx lässt nach züchterischen Erkenntnissen erwarten, dass als Folge bei der Nachzucht erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen und hierdurch Schäden auftreten werden, da wohl keine oder zumindest keine funktionsfähigen Vibrissen vorhanden sein werden. Zur Begründung verwies das Gericht auf das Qualzuchtgutachten und die Bedeutung der Vibrissen, die für den artgerechten Gebrauch der Katze zur Orientierung im Dunkeln, beim Aufspüren der Beute, zum Schutz der Augen und zur Aufnahme sozialer Kontakte von hoher Bedeutung sind. Als Schaden bezeichnet man einen Zustand des Tieres, der von seinem gewöhnlichen Zustand hin vorübergehend oder dauernd zum Schlechteren abweicht, wobei völlig geringfügige Beeinträchtigungen außer Betracht bleiben. Die Abweichung kann auf körperlicher oder psychischer Grundlage beruhen. Der Sollzustand des Tieres beurteilt sich an Tieren der gleichen Art. Das Fehlen von Körperteilen wird dabei regelmäßig als Schaden bewertet. Es ist für die Betrachtung und Bewertung eines Schadens ein Vergleich zwischen Katzen mit und ohne funktionsfähigen Tasthaaren vorzunehmen. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist davon auszugehen, dass bei der Nachzucht der Sphynx-Katzen aufgrund der fehlenden oder nicht funktionsfähigen Vibrissen Schäden iS.d. § 11b Abs. 1 TierSchG auftreten würden. In weiten Teilen macht sich das Gericht Ausführungen des VG Berlin zu eigen (Urt. v. 23.9.2015, 24 K 202.14, juris Rn. 39 ff.). Die getroffene Untersagung der von den Antragstellern ausgeübten Sphynx-Katzen- Zucht ist auch notwendig und verhältnismäßig, weil nur so dem Staatsziel des Tierschutzes, Art. 20a GG, ausreichend Rechnung getragen werden konnte.

Rechtsgrundlage für die Anordnung der Kastration ist § 11b Abs. 2 TierSchG. Die Regelung dient dem vorbeugenden Tierschutz, weil sie darauf abzielt, Qualzüchtungen zu verhindern. Die Regelung bezweckt die wirksame Durchsetzung der Ziele des § 11b Abs. 1 TierSchG, zielt also auf eine umfassende Unterbindung von Qualzüchtungen ab. Dies betrifft auch den Fall, dass ein Canadian-Sphynx-Kater ohne funktionsfähige Vibrissen mit einer behaarten Katze verpaart würde. Denn der Kater würde in jedem Fall ein Allel, welches für das Fehlen funktionsfähiger Vibrissen verantwortlich ist, an die Nachkommen weitergeben.

Die Maßnahmen sind auch verhältnismäßig. Mildere, gleich effektive Mittel sind nicht ersichtlich. Dem Vortrag der Antragsteller, eine Kastration beeinträchtige den Wert der Tiere erheblich, kommt kein entscheidungserhebliches Gewicht zu, weil wirtschaftliche Interessen eines Tierhalters keine Verstöße gegen das Tierschutzgesetz rechtfertigen.

Es besteht ein besonderes Vollzugsinteresse, demgegenüber das Interesse der Antragsteller an einem Aufschub der Vollziehung zurückzustehen hat. Denn das gesetzlich und verfassungsrechtlich vorgegebene Ziel, Qualzucht umfassend zu verhindern, rechtfertigt die Anordnung der sofortigen Vollziehung, weil ansonsten fortgesetzte Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen im Zusammenhang mit der Canadian-Sphynx-Zucht zu befürchten gewesen wären.

Entscheidung

Die Entscheidung ist rechtskräftig.