Urteil: Details

Strafrecht

Nutztiere

Rinder

LG Memmingen

29.11.2022

1 KLs 331 Js 15146/19

Sachverhalt

Die Angeklagten sind ausgebildete und erfahrene Landwirte und betrieben mehrere Hofstellen in Bad Grönenbach, Dietmannsried und Kempten. Sie unterließen es, während des Tatzeitraums, kranke Rinder (Kühe, Kälber und Bullen) gemäß den gesetzlichen Tierschutzvorschriften umgehend zu behandeln, insbesondere einen Tierarzt hinzuzuziehen, obwohl sie zu regelmäßigen Kontrollen angehalten und konkret angewiesen worden waren. Ihr Verhalten führte zu erheblichen, länger anhaltenden Schmerzen der Tiere, die hätten vermieden werden können.
Ferner enthornte einer der Angeklagten acht Kälber ohne Schmerzlinderung mit einem ungeeigneten Brennstab. Der Angeklagte erkannte die Möglichkeit von länger anhaltenden erheblichen Schmerzen und nahm diese billigend in Kauf. Die Tiere erlitten darüber hinaus auch innerhalb der folgenden Tage erhebliche Schmerzen, da zwischen Enthornung und Schmerzmittelgabe ein erheblicher Zeitraum lag.
Beide Angeklagten gestanden Fehler bei der Tierbetreuung ein, wobei sie eine Überforderung im Jahr 2019 als Hauptursache angaben. Die Sachverständigen äußerten, dass die Missstände auch auf die Weigerung der Angeklagten zurückzuführen seien, behördliche Vorgaben zu befolgen. Dies äußerte sich in Verdeckungsmaßnahmen, wie das Verstecken von Rindern vor Kontrollen oder den Austausch eines kranken Kalbes während einer behördlichen Kontrolle

Beurteilung

Die Strafkammer wertete das Verhalten der Angeklagten an den genannten Hofstellen als Unterlassen, welches der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes des § 17 Nr. 2 Buchst. b) TierSchG durch aktives Tun entspricht (§ 13 Abs. 2 StGB). Zudem hat sich einer der Angeklagten in einem weiteren Fall der quälerischen Misshandlung von Wirbeltieren durch aktives Tun schuldig gemacht.

Die Angeklagten verletzten folglich ihre gesetzlichen Pflichten gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG, das die artgerechte Pflege und Behandlung von Rindern und Kälbern vorschreibt. Laut § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) waren sie verpflichtet, unverzüglich Maßnahmen zur Behandlung kranker Tiere zu ergreifen und einen Tierarzt hinzuzuziehen.
Durch ihr Unterlassen haben die Angeklagten gemäß § 17 Nr. 2 Buchst. b) TierSchG den Tieren länger anhaltende erhebliche Schmerzen zugefügt. Diese Schmerzen überschreiten die Bagatellgrenze und sind in ihrer Intensität erheblich, da die Tiere motorische und vegetative Reaktionen zeigten. Der bedingte Vorsatz der Angeklagten wird durch ihr bewusstes Ignorieren der Situation untermauert.

Konkurrenzrechtlich ging die Strafkammer davon aus, dass, soweit bei einer konkreten Kontrolle einer einzelnen Hofstelle bei mehreren Tieren eine Behandlungsbedürftigkeit festgestellt oder eine tierärztliche Behandlung angeordnet wurde, eine Unterlassungseinheit bezüglich dieser Tiere vorliegt. Denn insoweit wäre den bestehenden Handlungspflichten durch ein- und dieselbe Handlung, nämlich Verständigung eines Tierarztes - vorab oder auf Anordnung - nachzukommen gewesen, mag diese Verständigung auch mehrere Tiere betreffen.

Entscheidung

Die Angeklagten haben sich nach § 17 Nr. 2 b) TierSchG der quälerischen Misshandlung von Wirbeltieren durch Unterlassen in fünf und zehn Fällen schuldig gemacht. Sie wurden zu Gesamtfreiheitsstrafen von 2 Jahren und 2 Jahren und 10 Monaten verurteilt.

Zudem wurde nach § 20 Abs. 1 TierSchG gegen einen der Angeklagten für die Dauer von 5 Jahren das Halten und das Betreuen von landwirtschaftlichen Nutztieren und warmblütigen Wirbeltrieren sowie der sonstige berufsmäßige Umgang mit landwirtschaftlichen Nutztieren und warmblütigen Wirbeltieren verboten.

Das Urteil ist rechtskräftig (BGH, Beschluss vom 25. Juli 2023 - 1 StR 145/23).