Urteil: Details

Öffentliches Recht

Nutztiere

Rinder

OVG Lüneburg

11.02.2022

11 ME 369/21

Sachverhalt

Der Antragsteller hält 120 Rinder und wurde vom Antragsgegner (Veterinärbehörde) mehrfach kontrolliert. Aufgrund erhöhter Keimwerte in der Rohmilch untersagte die Behörde zunächst die Lieferung der Milch als Lebensmittel gemäß den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 853/2004. Wiederholte Kontrollen ergaben zudem erhebliche tierschutzrechtliche Mängel, woraufhin die Behörde im November 2020 Maßnahmen wie die ausreichende Versorgung der Tiere, Reinigung der Liegeflächen und tierärztliche Betreuung anordnete. Bei Nichtbefolgung drohte die Behörde Zwangsgelder an.
Am 7. April 2021 stellten Amtstierärzte weitere Verstöße gegen das Tierschutzgesetz sowie gegen tierseuchenrechtliche Vorschriften fest. Infolgedessen plante die Behörde, dem Antragsteller die Rinderhaltung vollständig zu untersagen und zeigte ihn strafrechtlich an. Am 3. August 2021 verfügte die Behörde die Auflösung des Rinderbestands bis zum 31. Oktober 2021 und drohte an, die Tiere bei Nichtbefolgung fortzunehmen und zu verkaufen. Gegen diese Anordnung legte der Antragsteller Klage und einen Eilantrag ein. Das Verwaltungsgericht gab dem Eilantrag statt und setzte die sofortige Vollziehung der behördlichen Verfügung aus. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet.

Beurteilung

Der Bescheid vom 3. August 2021, welcher die Auflösung des Rinderbestands des Antragstellers bis zum 31. Oktober 2021 vorsieht, ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts als rechtmäßig anzusehen. Dem öffentlichen Interesse am Vollzug der tierschutzrechtlichen Anordnung ist ein höheres Gewicht beizumessen als dem privaten Interesse des Antragsstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner dagegen erhobenen Klage.

Die Anordnung stützt sich auf § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG, wonach die zuständige Behörde notwendige Maßnahmen zur Beseitigung von Verstößen und zur Verhütung weiterer Verstöße gegen das Tierschutzrecht treffen kann. Gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG sind Tierhalter verpflichtet, ihre Tiere artgerecht zu ernähren und zu pflegen, was durch die TierSchNutztV (z. B. § 4 Abs. 1) konkretisiert wird. Die festgestellten Verstöße betreffen eine unzureichende Versorgung der Rinder mit Futter, mangelnde Stallhygiene, unzureichende tierärztliche Versorgung und eine mangelhafte Haltungseinrichtung.
Die zahlreichen amtstierärztlichen Kontrollen dokumentieren diese Missstände und bestätigen den Verstoß gegen die Tierschutzbestimmungen. Die Zustände im Betrieb des Antragstellers, wie der schlechte Ernährungszustand und das wiederholte Auftreten unbehandelter Krankheiten, rechtfertigen aus Sicht der Behörde die Maßnahme der Bestandsauflösung. Die Feststellungen der Amtstierärzte genießen dabei besondere Glaubwürdigkeit, da sie gemäß § 15 Abs. 2 TierSchG als Sachverständige eingesetzt sind.

Die Behörde hat ihr Ermessen zur Anordnung der Auflösung des Tierbestands unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit ausgeübt und geprüft, ob mildere Maßnahmen (wie Zwangsgelder oder eine Reduzierung des Bestands) geeignet wären. Da frühere Bußgelder und Strafanzeigen keine Verbesserung bewirkten und die Verstöße auf eine generelle Vernachlässigung der Tierhaltung zurückzuführen sind, wurde die Bestandsauflösung als einzig wirksame Maßnahme erachtet.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist der streitgegenständliche Bescheid auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner nicht zuvor oder zugleich ein Tierhaltungs- und Betreuungsverbot erlassen hat.

Entscheidung

Die von dem Antragsgegner vorgetragenen Beschwerdegründe rechtfertigen eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Die auf § 16a Abs. 1 S 1 und S 2 Nr. 1 TierSchG gestützte und mit Sofortvollzug sowie einer Fristsetzung verbundene Anordnung zur Auflösung eines Rinderbestands kann im Einzelfall auch dann rechtmäßig sein, wenn nicht zuvor oder zugleich ein Tierhaltungs- und Betreuungsverbot erlassen wurde.

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburgs hat Erfolg.