Tierschutzrecht Urteil: Details Rechtsbereich Öffentliches Recht Fallkategorie Nutztiere Tier Hummer Gericht VG Berlin Datum 15.02.2017 Aktenzeichen 24 K 188.14 Sachverhalt In dem Fall geht es um tierschutzrechtliche Anordnungen, die das Bezirksamt Spandau von Berlin gegen die Klägerin, ein Großhandelsunternehmen, erlassen hat. Die Klägerin hältert in ihrer Filiale in Spandau lebende Hummer in drei Becken, die für die zwischenzeitliche Aufbewahrung der Tiere bis zum Verkauf dienen. Aufgrund von Beschwerden führte der Beklagte zwischen 2011 und 2013 mehrere Kontrollen durch und erließ eine Reihe von tierschutzrechtlichen Maßnahmen, die die Hälterung der Hummer betrafen, darunter Vorgaben zu Beckenabdeckungen, Rückzugsmöglichkeiten für die Tiere, Wasserparameter und Dokumentationspflichten. Das Bezirksamt forderte unter anderem, dass die Becken mindestens zu zwei Dritteln abgedunkelt werden, den Tieren Rückzugsmöglichkeiten bereitgestellt werden, eine Mindestfläche von 290 cm² pro Hummer verfügbar ist und das Personal geschult wird. Weiterhin wurde eine genaue Dokumentation der Wasserwerte sowie der Eingabezeitpunkte der Hummer verlangt, und es wurde ein Verbot für die Abgabe lebender Hummer an Endverbraucher ausgesprochen. In der Folge erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Anordnungen und berief sich dabei auf eine Studie der Humboldt-Universität, die ihre Hälterungspraktiken bereits als tierschutzgerecht bestätigte. Im gerichtlichen Verfahren stellte der Beklagte die Wirksamkeit seiner Anordnungen in Frage und argumentierte, dass die Klägerin nicht alle Vorgaben beachtet habe und die Hälterung der Hummer nicht tierschutzgerecht sei. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die Tierschutz-Schlachtverordnung keine Ausnahme für die Hälterung von Hummern ermögliche und dass die allgemeinen Bestimmungen des Tierschutzgesetzes, insbesondere die Anforderungen an die artgerechte Haltung, weiterhin Gültigkeit hätten. Das Gericht zog ein Sachverständigengutachten hinzu und berücksichtigte sowohl die gesetzlichen Vorgaben des Tierschutzgesetzes (§ 1 TSchG) als auch die Tierschutz-Schlachtverordnung (§ 12 Abs. 11 TierSchlV) in Bezug auf die Haltung und den Umgang mit lebenden Tieren. Die Klägerin beantragte die Aufhebung der tierschutzrechtlichen Anordnungen und der Zwangsgeldandrohungen, während der Beklagte die Klage abwies. Beurteilung Das Verwaltungsgericht entschied, dass die Anordnungen des Bezirksamts Spandau von Berlin des Bescheides vom 5. April 2013 rechtswidrig sind. Dies betrifft insbesondere Maßnahmen zur Hälterung von Hummern, die ohne konkrete Verstöße oder nachgewiesene Gefahren erlassen wurden. Nach § 16a Abs. 1 TierSchG dürfen behördliche Anordnungen nur getroffen werden, wenn Verstöße festgestellt oder konkrete Gefahren für künftige Verstöße bestehen. Es wurde festgestellt, dass der Beklagte zu weit ging, indem er ohne eigene Messungen und ohne hinreichende Beweise für Verstöße oder konkrete Gefahren allgemeine Überwachungsmaßnahmen wie Dokumentationspflichten anordnete. Auch die Anordnungen zur Wasserqualität (wie Temperatur und Salinität) waren aufgrund mangelnder Notwendigkeit rechtswidrig, da die Klägerin bereits die erforderlichen Standards einhielt. Die Kammer verwies auf die Vorgaben des Tierschutzgesetzes, insbesondere § 2 und § 16a TierSchG, sowie die Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV), die in diesem Zusammenhang eine sachgerechte Hälterung der Tiere vorschreiben. Zudem wurde die Anordnung zur Verhinderung des Verkaufs an Endverbraucher als unzulässig erachtet, da § 10 TierSchlV den Verkauf von Krebstieren unter bestimmten Bedingungen gestattet. Das Gericht bestätigte die Rechtmäßigkeit der Anordnungen in Bezug auf die Rückzugsmöglichkeiten und die Besatzdichte für Hummer in den Hälterungsbecken der Klägerin. Diese Auflagen dienen der Sicherstellung einer artgerechten und verhaltensgerechten Haltung gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG. Die Klägerin wurde verpflichtet, in den Becken für jedes Tier ausreichende Rückzugsmöglichkeiten in Form von undurchsichtigen Trennungen bereitzustellen, da Hummer als Einzelgänger ihren natürlichen Fluchtinstinkt nur in geschützten Bereichen wahren können. Zudem wurde eine Mindestbesatzdichte von 290 cm² pro 550 g Lebendgewicht festgelegt, um sicherzustellen, dass die Tiere nicht unter übermäßigen Stress oder Verletzungen leiden. Diese Vorgaben wurden durch den Sachverständigen als notwendig erachtet, um den Tierschutz zu gewährleisten und eine verhaltensgerechte Unterbringung sicherzustellen. Entscheidung Die Vorschrift des TierSchG, nach der die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen trifft, wird hinsichtlich der ordnungsgemäßen Hälterung von lebenden Hummern in Wasserbecken nicht durch die Verordnung zum Schutze von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung und zur Durchführung der Verordnung verdrängt, auch wenn sie zur Gewinnung von Lebensmitteln bestimmt sind. Dies ergibt sich bereits aus der Systematik des Tierschutzgesetzes und dem Regelungszweck und -umfang der Tierschutz- Schlachtverordnung. Für den Erlass einer tierschutzrechtlichen Anordnung ist erforderlich, dass Verstöße festgestellt oder künftige Verstöße verhindert werden sollen. Je größer und schwerer der zu erwartende Verstoß ist, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit des Eintritts zu stellen. Zurück zur Übersicht