Urteil: Details

Öffentliches Recht

Tierversuche

Maus

VG Mainz

13.02.2025

1 K 349/24.MZ

Sachverhalt

Der Kläger begehrt die Aufhebung einer Auflage in einem Bescheid zur Genehmigung eines Tierversuchs mit Mäusen. Streitpunkt ist die Frage, ob die medizinische Versorgung der Versuchstiere zwingend durch einen Tierarzt erfolgen muss oder ob auch andere fachkundige Personen, etwa Biologen oder geschulte Versuchsdurchführende, diese Aufgabe übernehmen dürfen. Der Kläger hatte die Genehmigung für ein tierschutzrechtlich relevantes Versuchsvorhaben zu Zwecken der Grundlagenforschung beantragt. Im Antrag benannte er sich selbst, seinen Stellvertreter sowie weitere biologisch qualifizierte Personen als verantwortlich für Eingriffe und die Gesundheitsüberwachung der Tiere. Für medizinische Maßnahmen, die über standardisierte Handlungsanweisungen hinausgehen, sollte der tierärztliche Dienst der Versuchstierhaltungseinrichtung hinzugezogen werden.
Die zuständige Behörde genehmigte das Versuchsvorhaben, erließ aber die streitgegenständliche Auflage, dass der tierärztliche Dienst der Einrichtung für die medizinische Versorgung der Versuchstiere verantwortlich sei. Zur Begründung verwies sie auf § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TierSchG, wonach ein Tierversuch nur genehmigt werden darf, wenn die artgerechte Haltung und medizinische Versorgung der Tiere sichergestellt ist. Nach Auffassung der Behörde könne eine solche Versorgung nur durch eine Person mit abgeschlossenem Studium der Veterinärmedizin gewährleistet werden. Da im Antrag keine solche Person benannt war, sei die Auflage notwendig gewesen. Die Behörde stützte die Auflage auch auf § 36 VwVfG in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Nr. 4 TierSchVersV, wonach Nebenbestimmungen zulässig sind, um sicherzustellen, dass die Voraussetzungen des Genehmigungsbescheids eingehalten werden.
Der Kläger legte Widerspruch ein und erhob später Klage. Er rügt, dass die Auflage rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Die Genehmigung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 TierSchG sei eine gebundene Entscheidung, und die gesetzlichen Grundlagen verlangten keine tierärztliche Qualifikation als Voraussetzung für die medizinische Versorgung im Versuch. Die Verantwortung für den Gesundheitszustand der Tiere könne bei entsprechend geschultem Personal, etwa beim Versuchsleiter oder dessen Stellvertretung, liegen, solange im Bedarfsfall tierärztliche Hilfe hinzugezogen werde. Eine tägliche Untersuchung aller Tiere durch einen Veterinär sei gesetzlich nicht vorgeschrieben und in der Praxis nicht erforderlich. Auch die Tierschutzkommission habe, soweit ersichtlich, keine verbindliche Forderung nach einer tierärztlichen Verantwortung im konkreten Fall erhoben, zumal sie lediglich eine beratende Funktion habe.
Der Beklagte hält dem entgegen, dass die medizinische Versorgung im laufenden Versuch nicht allein durch biologisch ausgebildete Personen sichergestellt werden könne. Vielmehr sei bei auftretenden Gesundheitsproblemen die fachliche Bewertung, Diagnostik und mögliche Behandlung – etwa durch verschreibungspflichtige Tierarzneimittel – ausschließlich Veterinärmedizinern vorbehalten. Dies folge aus den Anforderungen des Tierschutzgesetzes sowie aus der EU-Richtlinie 2010/63/EU, insbesondere deren Art. 25 und Erwägungsgrund Nr. 30, wonach geeignete Maßnahmen zur Linderung von Schmerzen, Leiden oder Schäden durch sachkundige Betreuungspersonen zu treffen seien. Die Tierschutzkommission habe im Übrigen Wert auf eine tierärztliche Mitwirkung gelegt.

Beurteilung

Die Klage ist begründet, da die Auflage Nr. 3 des Genehmigungsbescheids vom 1. März 2024 rechtswidrig ist und die Rechte des Klägers verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Ermächtigungsgrundlage hierfür ist § 36 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TierSchG. Da es sich um eine gebundene Entscheidung handelt, darf der Verwaltungsakt nur mit Nebenbestimmungen versehen werden, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist oder zur Sicherstellung der Voraussetzungen dient. Eine solche gesetzliche Grundlage für die strittige Auflage fehlt, da weder das TierSchG noch die TierSchVersV entsprechende Regelungen enthalten. Zwar kann eine Auflage zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung erlassen werden, die auch die Einbeziehung eines Tierarztes fordert, doch die vorliegende Auflage ist unklar formuliert und nicht hinreichend bestimmt (§ 37 VwVfG). Es ist unklar, wann und in welchem Umfang der tierärztliche Dienst verantwortlich ist, was eine zwangsweise Durchsetzung erschwert. Zudem ist die Auflage unverhältnismäßig, weil sie den Handlungsspielraum des Klägers unangemessen einschränkt, ohne dass konkrete Probleme mit der bisherigen Versorgung nachgewiesen sind. Außerdem berücksichtigt die Auflage die widerstreitenden Interessen der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) und des Tierschutzes (Art. 20a GG) nicht ausreichend und schließt eine Beteiligung des Versuchsleiters an Entscheidungen über tierärztliche Maßnahmen aus. Daher ist die Auflage rechtswidrig und verletzt die Rechte des Klägers.

Entscheidung

Die Auflage Nr. 3 im Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 1. März 2024 zur Durchführung des beantragten Tierversuchsvorhabens („Der tierärztliche Dienst ist für die medizinische Versorgung der Versuchstiere verantwortlich.“) wird aufgehoben.