Über 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus landwirtschaftlicher Praxis, Wissenschaft, Wirtschaft und des öffentlichen Veterinärwesens sind der Einladung des Verbunds Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar) sowie dem Hessischen Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt (HMLU) gefolgt und haben am Donnerstag, 15. Februar 2024, auf einer Fachtagung zur Vorstellung der ASP-Risikoampel OFFENSTALL Herausforderungen und Perspektiven für Schweinehaltungen im Offenstall im Kontext der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Deutschland diskutiert. Insbesondere war die praktische Umsetzung des neuen europäischen Tiergesundheitsrechts (AHL) für Schweinehalter und Behörden eines der Tagungsschwerpunkte.
Anlass der vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) und dem BMEL unterstützen Tagung zum Projektabschluss des aus dem hessischen Öko-Aktionsplans finanzierten Projekts war die Vorstellung der ASP-Risikoampel OFFENSTALL, einem kostenlosen und frei zugänglichen Onlinetool zur Risikobewertung eines Eintrags von ASP in schweinehaltende Betriebe in Offenstallhaltung. Hessens Agrarstaatssekretär Michael Ruhl würdigte das neue Instrument: „Für mich ist diese Ampel gelebter Tierschutz.“ Die Hessische Landesregierung habe es sich zum Ziel gemacht, Innovationen in der Landwirtschaft zu fördern. „Das gilt vor allem für solche Verbesserungen, die Mensch und Tier dienen. Deshalb freue ich mich, dass die aus dem Ökoaktionsplan finanzierte Afrikanische Schweinepest-Ampel für Offenstallhaltungen nun an den Start geht.“
Zum Auftakt des Fachprogramms leiteten Dr. Madeleine Martin, hessische Landestierschutzbeauftragte sowie Dr. Barbara Grabkowsky, Leiterin des an der Universität Vechta angesiedelten Verbunds trafo:agrar in die fachliche Thematik ein. „Für die Zukunft nicht nur der hessischen Schweinehaltung brauchen wir auch in Zeiten der ASP eine sichere Perspektive für tiergerechte Haltungsformen. Das bereits bewährte Konzept der Risikoampeln ist aus unserer Sicht der richtige Weg, um aktuelles Wissen in die Praxis zu bringen“, so Frau Dr. Martin. Unterstrichen wurde dies von Dr. Barbara Grabkowsky, die die Bedeutung des partizipativen Verfahrens bei der Entwicklung der Ampel herausstellte. „Akzeptanz für die notwendige Transformation in der Tierhaltung erreichen wir nur durch Einbeziehung aller relevanten Beteiligten auf Augenhöhe“, so Grabkowsky.
Im Fachprogramm gab Frau Prof. Dr. Carola Sauter-Louis (FLI) einen Überblick und Ausblick zur ASP in Deutschland und Europa, gefolgt von einer positiven Bewertung der bisherigen Anstrengungen schweinehaltender Betriebe für mehr Biosicherheit. „Die Afrikanische Schweinepest ist nun schon seit über drei Jahren in Deutschland, vor allen Dingen bei Wildschweinen. Wir hatten bisher nur acht Ausbrüche bei Hausschweinen zu verzeichnen und dies ist höchstwahrscheinlich der sehr guten Umsetzung von Biosicherheitsmaßnahmen zu verdanken. Doch diese acht Ausbrüche zeigen auch, dass die Gefahr ständig existiert und wir nicht nachlassen können, die Biosicherheitsmaßnahmen zu überprüfen und zu optimieren“, so ihr mahnendes Fazit.
Die neu vom BMEL herausgegeben „Leitlinien zur Auslauf- und Freilandhaltung“ einschließlich der rechtlichen Herausforderungen für Schweinehalter vor dem Hintergrund des neuen EU-Tiergesundheitsrechts stellte Frau Dr. Barbara Hoffmann (BMEL) vor. „Die Neuerungen im Tiergesundheitsrecht bedeuten ein „Mehr“ an Verantwortung für die Schweinehalter. Wichtig ist, dass diese nicht von diesen alleine, sondern gemeinsam mit den weiteren Akteuren im Sinne einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit getragen werden sollte – sei es mit den betreuenden Fachleuten oder auch mit den Veterinärbehörden. Das Thema “Biosicherheit/ Schutz vor biologischen Gefahren“ steht hier sicherlich bei der Prävention der ASP an erster Stelle.“
Abgerundet wurde der Überblick von den Ergebnissen zur Untersuchung der Biosicherheit von 16 hessischen Auslaufbetrieben hinsichtlich der ASP-Prävention, die Dr. Sabrina Becker von der Justus-Liebig-Universität Gießen vorstellte, denn „niemand weiß ob und wann die Afrikanische Schweinepest auch Hessen erreichen wird“, so die Wissenschaftlerin. Es zeigte sich, dass die Betriebe im Wesentlichen gut vorbereitet sind. Jedoch können Nachbesserungen der Einfriedung, die Aufklärung von Besuchern sowie einige Details in der Umsetzung einer konsequenten Schwarz-Weiß- und Hygiene-Strategie weiter mithelfen, die Biosicherheit zu optimieren um den Eintrag der Seuche zu verhindern.
Im fachlich-praktischen Teil der Tagung gab Frau Dr. Stefanie Klausmann (SUISAG SGD, Sempach) einen fundierten Einblick in die Biosicherheitsmaßnahmen von Schweizer Schweinehaltungsbetrieben, welche bereits seit vielen Jahren flächendeckend über Erfahrungen mit der Offenstallhaltung verfügen. Eindringlich warnte sie jedoch vor den Gefahren der ASP. "Seit 2017 haben in Europa mehr als 2.3 Mio. Schweine aufgrund ASP ihr Leben verloren (Quelle: WAHIS-Daten, WOAH). Durch gute Biosicherheitsmassnahmen können wir zumindest die Keulung unserer Hausschweine verhindern. Aus diesem Grund sollten wir die «Friedenszeiten» nutzen und unseren Fokus auf eine gute Biosicherheit richten. Packen wir es an!“, so der Apell der Expertin.
Die Erstellung der und die Arbeit mit der neuen ASP-Risikoampel stellten Dr. Maria Gellermann (trafo:agrar) und Dr. Jens van Bebber (Verein zur Förderung der Offenstallhaltung) vor. „Nur durch die engagierte Unterstützung zahlreicher Experten konnten in dieser Risikoampel nicht nur neue Inhalte, sondern auch neue Funktionen, wie z.B. Filterfunktion des Fragebogens implementiert werden“ so Dr. Gellermann, „in kontinuierlicher Weiterentwicklung des Konzepts Risikoampel erwarten wir einen hohen Mehrwert für die Praxis, das war unser Ziel“. Dr. Jens van Bebber präzisierte in seiner Präsentation diese Anforderungen der Praxis anhand des eigenen Offenstallbetriebs in der Grafschaft Bentheim. Zudem wies er auf die Notwendigkeit hin, Bemühungen im Umgang mit der ASP nicht bei der Prävention auf den Höfen enden zu lassen. Ebenso wichtig sei die Entwicklung von differenzierten Lösungen für die Vermarktung von Tieren aus einer Sperrzone heraus.
Die Tagung endete mit einer angeregten Diskussion, u.a. mit Fragen zur praktischen Umsetzung des neuen Tiergesundheitsrechts, zu konkreten Maßnahmen für Offenstallhaltungen in ASP-Sperrzonen sowie zur gegenwärtigen Situation und zukunftsfesten Perspektiven für diese tiergerechte und gesellschaftlich erwünschte Haltungsform.