Voraussetzung für den Erlass einer auf § 16a Abs. 1 TierSchG gestützten behördlichen Anordnung ist, dass in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein tierschutzwidriger Vorgang zu erwarten ist. Im vorliegenden Einzelfall wäre dies die geltend gemachte Gefahr einer Schächtung in Marokko, was das OVG Niedersachsen bei der nach seiner Prüfung glaubhaften Ausfuhr von Färsen zu Zwecken der Milchgewinnung verneint.
Entsprechendes gilt, wenn lediglich eine abstrakte Gefahr vorliegt, also eine nach allgemeiner Lebenserfahrung oder den Erkenntnissen fachkundiger Stellen mögliche Sachlage, die im Fall ihres Eintritts eine Gefahr darstellt. Anders als bei der konkreten Gefahr kann bei der abstrakten Gefahr auf den Nachweis der Gefahr eines Schadenseintritts im Einzelfall verzichtet werden. Gegen abstrakte Gefahren ist in der Regel nicht durch individuelle behördliche Maßnahmen im Einzelfall, sondern durch abstrakt-generelle Mittel wie Rechtsverordnungen vorzugehen.
Speziell für den Fall der Verbringung bestimmter Tiere aus dem Inland in einen anderen Staat sieht § 12 Abs. 2 Nr. 3 TierSchG vor, dass das Bundesministerium ermächtigt wird, eine Rechtsverordnung zu erlassen, soweit dies zum Schutz der Tiere erforderlich ist. Eine solche Verordnung, die den Transport von Rindern nach Marokko verbietet, liegt jedoch bisher nicht vor. Zwar kann die örtlich zuständige Tierschutzbehörde auch beim Fehlen einer derartigen Verordnung auf § 16a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 und Satz 2 Nr. TierSchG gestützte Verbote erlassen. Dies setzt allerdings voraus, dass im zu beurteilenden Einzelfall eine konkrete Gefahr vorliegt.
Der angeführte Umstand, dass in Marokko betäubungslos geschlachtet werde, beinhaltet für sich genommen keine zeitlich und örtlich hinreichend eingrenzbare Situation, die die Annahme einer konkreten Gefahr rechtfertigen würde. Im vorliegenden Fall sei die Gefahr einer betäubungslosen Schlachtung der für den Export vorgesehenen Färsen in keiner Weise zeitlich und örtlich eingegrenzt. Aufgrund des von dem Antragsgegner nicht in Frage gestellten Vortrags der Antragstellerin sei vielmehr davon auszugehen, dass die von ihr auszuführenden Rinder nicht zum Zwecke der Schlachtung, sondern zu Zwecken der Milchgewinnung exportiert und genutzt werden sollten. Dass eine solche Nutzung tatsächlich nicht beabsichtigt sein solle, sei nicht ansatzweise ersichtlich. Im konkreten Fall hatte der Antraggegner dem Vortrag der Antragstellerin nicht widersprochen, dass es sich um ein reines Molkereiunternehmen handelt, welches auch im Internet als solches auftritt und es wurde eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, dass die Tiere über einen längeren Zeitraum zur Milcherzeugung verwendet werden sollen.
Ein Unternehmen, das in einer von rechtlichen Vorgaben gedeckten Weise Rinder zum Zwecke der Milchgewinnung nach Marokko transportiert, könne auch tierschutzrechtlich nicht als Verhaltensstörer hinsichtlich einer möglichen Schächtung der Tiere in Marokko in Anspruch genommen werden. Ein erlaubter Transport von zum Zwecke der Milchgewinnung exportierten Rindern in ein Land, in dem Tiere geschächtet werden, könne für sich genommen nicht schon als Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TierSchG gewertet werden. Der Transport könnte allenfalls dann als erster Teilschritt (unmittelbares Ansetzen) zu einer tierschutzrechtswidrigen Tötung der Rinder angesehen werden, wenn die entsprechende Tötung der Tiere entweder im Anschluss an den Transport unmittelbar geplant sei oder jedenfalls davon auszugehen wäre, dass die Tiere tatsächlich zeitnah getötet würden.
Sollten die Rinder im Anschluss an den ursprünglichen Nutzungszweck in anderer, tierschutzwidriger Weise genutzt werden, ist das nach Ansicht des Gerichts nicht mehr absehbar, weil diese Nutzung nicht mehr mit dem von der Antragstellerin zu verantwortendem Transport zusammenhängt, sondern auf der Entscheidung Dritter beruht, auf die die Antragstellerin keinen Einfluss hat.
Da die Kälber erst in Marokko geboren würden und frühestens nach sieben oder acht Monaten geschlachtet, weise jedenfalls die möglicherweise bestehende Gefahr einer Schlachtung bzw. Schächtung dieser Tiere keinen hinreichenden Zusammenhang mehr mit dem von der Antragstellerin zu verantwortendem Transport der Tiere auf.