Urteil: Details

Öffentliches Recht

Nutztiere

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OVG NRW

28.04.2022

15 A 1883/16

Sachverhalt

Am 23. Juni 2014 beantragte der Kläger beim Beklagten Auskunft über den Schlachthof der Beigeladenen in S.-X., insbesondere zu Fehlbetäubungen, Arbeits- und Kontrollberichten, Auflagen, Ordnungsmaßnahmen und der Verwurfsstatistik. Er stützte sich auf das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) und das Landespressegesetz NRW (PresseG NRW) und legte einen Presseausweis vor. Im Laufe des Verfahrens schränkte er den Umfang und den Zeitraum der Auskünfte auf das Jahr 2013 beziehungsweise das vierte Quartal 2013 ein, um Kosten zu begrenzen. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. Mai 2015 ab, weil nach Auffassung der Behörde lebende Tiere und deren Betäubung keine Erzeugnisse im Sinne des VIG seien, und die Vorlage eines Presseausweises allein nicht genüge, um Auskunft nach dem PresseG NRW zu erhalten. Der Kläger erhob Klage und verlangte die Herausgabe der Auskünfte zu Fehlbetäubungen, unzulässigen Abweichungen, behördlichen Maßnahmen und der Verwurfsstatistik, hilfsweise eine erneute Entscheidung des Beklagten. Das Verwaltungsgericht gab der Klage im Wesentlichen statt und führte aus, dass Auskünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG zu tierischen Lebensmitteln auch die Produktionsbedingungen einschließlich tierschutzrechtlicher Aspekte umfassen, weil diese für Verbraucher relevant seien, und dass Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse dem Auskunftsanspruch nicht entgegenstünden. Das Bundesverwaltungsgericht entschied jedoch später, dass nach dem VIG kein Anspruch auf Auskunft über Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften, Fehlbetäubungen oder Schlachtvorgänge an lebenden Tieren bestehe, weil diese keine Lebensmittel im Sinne des VIG seien, und dass erst mit der Stempelung der Tiere als genusstauglich ein Lebensmittel vorliege. Auch nach dem PresseG NRW bestehe kein Anspruch, weil der Kläger nicht ausreichend als Pressevertreter tätig sei. Ein Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW (IFG NRW) wurde nicht gestellt, wäre aber auch nicht gegeben, soweit die Auskunft die Schutzrechte der Beigeladenen verletzen würde. Tierschutzrechtlich bleibt relevant, dass Fehlbetäubungen und tierschutzrechtliche Aspekte beim Schlachtvorgang unter die Vorschriften des Tierschutzgesetzes (§§ 1, 2 TierSchG) und der Tierschutz-Schlachtverordnung fallen, diese Informationen aber nach der aktuellen Rechtsprechung nicht über das VIG zugänglich sind. Der Rechtsstreit war im Wesentlichen erledigt, nachdem für das vierte Quartal 2013 keine lebensmittelrechtlich relevanten Verstöße festgestellt wurden.

Beurteilung

Das Verfahren ist teilweise eingestellt, weil Kläger und Beklagter den Rechtsstreit als erledigt erklärt haben. Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen waren teilweise erfolgreich, aber größtenteils unbegründet. Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger Informationen verlangt, die über seinen ursprünglichen Antrag im Verwaltungsverfahren hinausgehen. Konkret betrifft das die Auskunft über die sogenannte „Verwurfsstatistik“, die nicht nur verletzte oder kranke Tiere erfasst, sondern auch Tiere, deren Fleisch als genussuntauglich eingestuft wird. Diese Informationen basieren auf amtstierärztlichen Untersuchungen nach der Verordnung (EG) Nr. 854/2004, die unter anderem die Schlachttier- und Fleischuntersuchung regelt, sowie auf der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zur Kennzeichnung geschlachteter Tiere. Die Berufungen in den übrigen Punkten sind unbegründet, da das Verwaltungsgericht zu Recht die Klage zugelassen hat. Die Klage auf Auskunft zu „unzulässigen Abweichungen“ im Schlachthof ist zulässig, weil der Kläger sein Anliegen vorher bei der Behörde geltend gemacht hat und ein Vorverfahren nicht erforderlich war. Auch die Änderung des Klagezeitraums von 2014 auf das letzte Quartal 2013 ist zulässig, da sie den Streitstoff nicht wesentlich ändert. Die begehrten Auskünfte betreffen tierschutzrechtlich relevante Verstöße, insbesondere nach der Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV) und der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren beim Töten, insbesondere Fehlbetäubungen und Verstöße gegen die Anforderungen an die Betäubung. Diese Informationen kann der Kläger auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes NRW (§ 4 IFG NRW) und des Verbraucherinformationsgesetzes (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG) verlangen. Die Auskunftspflicht wird nicht durch Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse eingeschränkt, da die festgestellten Verstöße rechtswidrig sind und das öffentliche Interesse an Transparenz und Tierschutz überwiegt. Ein Drittbeteiligungsverfahren oder ein „incamera“-Verfahren ist nicht erforderlich, weil die Behörde die notwendigen Informationen kennt und die rechtliche Grundlage für den Anspruch auf Auskunft klar ist. Das Statistikgeheimnis nach § 16 BStatG steht dem Anspruch ebenfalls nicht entgegen, da die Daten von der Behörde erhoben wurden und nicht von Dritten übermittelt wurden. Insgesamt hat der Kläger Anspruch auf die Auskunft über alle nicht zulässigen Abweichungen im Schlachthof, einschließlich Fehlbetäubungen, abgelehnter Tiere und der damit verbundenen Verfahren.

Entscheidung

Das Gericht entschied, dass der Kläger grundsätzlich Anspruch auf Auskunft über tierschutzrelevante Verstöße im Schlachthof, insbesondere Fehlbetäubungen und abgelehnte Tiere, nach IFG NRW und VIG hat, während weitergehende oder statistische Informationen nur eingeschränkt zugänglich sind.